Wären wir nicht arm, wärt ihr nicht reich!

„Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an,
und der Arme sagte bleich: ‘Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.’“

Bertolt Brecht, 1934

Wir können uns die Reichen nicht leisten!

2012 betrug der Wert der weltweiten Produktion und Dienstleistungen rund 56 Billionen Euro. Eine riesige Summe! Geschaffen vor allem von der Arbeiterklasse!

Doch gleichzeitig wurden in 2012 an Devisenmärkten 810 Billionen Euro und an Derivatemärkten 569 Billionen Euro Kapital umgewälzt. Derivate sind Spekulationswerte, wo z. B. auf fallende bzw. steigende Preise oder Kurse gewettet wird. Auch der hohe Umsatz auf den Devisenmärkten besteht weitgehend aus Währungsspekulationen für oder gegen eine Währung – mit der Hoffnung auf schnellen Profit.

Merkwürdig: Da wird eine Riesenmenge von Gütern hergestellt, aber die Spekulation übertrifft im Falle der Derivate mehr als das Zehnfache der materiellen Produktion, bei den Devisen gar fast das Fünfzehnfache!

Und trotz dieses ungeheuren, stetig steigenden Reichtums wird die breite Masse der arbeitenden und arbeitslosen Menschen immer ärmer. Wie kann das sein?

Bertolt Brecht hat es in einfache Worte gefasst. Reichtum und Armut sind zwei Pole des kapitalistischen Systems, die untrennbar zusammengehören.

Reale Werte lassen sich nur durch Arbeit schaffen. Sie sind die Grundlage menschlichen Lebens: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Transport , Verkehr usw. Kunst, Kultur, Bildung, Wissenschaft basieren auf diesem materiellen Reichtum und mehren die Vielfalt, Kreativität, die Fähigkeiten und das Wissen einer Gesellschaft. Aber ohne das Fundament des materiellen Reichtums geht es nicht.

Doch im Kapitalismus ist alles auf den Kopf gestellt. Die Produktion dient nicht dazu, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen und zugleich die Umwelt zu erhalten, sondern dazu, aus Kapital mehr Kapital zu machen. Das hat über lange Zeit die Produktion revolutioniert. Das Bestreben, mit immer weniger Materialeinsatz und menschlicher Arbeitskraft immer mehr Profit zu machen, hat den technischen Fortschritt angestachelt. Mit jeder Runde, wo Kapital eingesetzt wurde, um mehr daraus zu machen, wuchs der materielle Reichtum der Gesellschaft und auch das Kapital. Doch je mehr Kapital akkumuliert wurde und zugleich durch immer höher entwickelte Technik die Kosten für die materielle Produktion stiegen und damit verbunden, Arbeitslosigkeit und Billiglohn anstiegen, umso weniger lohnten sich Investitionen in die Produktion.

So kommt das System an einen Punkt, an dem es innerlich verfault. Heute bringt es mehr Profit, einen existierenden Betrieb aufzukaufen, diesen auszuschlachten oder durchzurationalisieren oder beides zusammen, als einen neuen Betrieb aufzubauen, zu produzieren und um den entsprechenden Absatz der Produkte auf einen immer härter umkämpften Markt zu konkurrieren. Das Kapital, das immer weiter wächst, sucht mit allen Mitteln nach immer neuen Wegen, sich zu vermehren. Das ist der Grund, warum auf einmal Wasser, Strom, Telefon, Post, Bildung, Kultur, Gesundheitswesen, Bahn und noch viel mehr privatisiert werden müssen. Das Kapital braucht dringend neue Verwertungsmöglichkeiten. Dabei spielt es keine Rolle, ob das für die Menschen gut ist. Im Gegenteil! Mit den Privatisierungen werden die Leistungen schlechter und die Preise steigen. Dass heute Telefonieren billiger ist als vor 20 Jahren, liegt nicht an der Privatisierung, sondern an besserer Technik, die das extrem verbilligt.

Da das alles nicht reicht, steht das Kapital beim Staat Schlange nach Subventionen: Billiger Strom für energieintensive Unternehmen, Förderung für E-Autos, Ausrichtung der Wissenschaft auf die Interessen der Industrie, Bürgschaften für riskante Geschäfte. Ebenso fordert das Kapital mit aller Macht Steuersenkungen möglichst auf Null und zugleich staatliche Investitionen, damit sein Absatz garantiert ist. Lohnnebenkosten wie die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung müssen gesenkt und immer mehr auf die Arbeiter und Angestellten abgewälzt werden.

Trotz aller dieser Maßnahmen, die in den letzten 20-30 Jahren massiv durchgedrückt wurden und weiterhin werden, werden die Zeichen der Fäulnis und Stagnation immer größer. Trotz niedrigster Zinsen entwickelt sich die Produktion kaum noch. Auch die zahllosen Kriege sind ein Element dieser Fäulnis. Da werden ebenfalls seit Jahrzehnten Werte in Billionenhöhe vernichtet und die Rüstungsindustrie hat einen garantierten Absatz mit Höchstprofiten; da werden Rohstoffe den durch Krieg verarmten Ländern billigst gestohlen; da werden Millionen Menschen zur Flucht gezwungen und zu einem Heer von Billigsklaven heruntergedrückt – und trotzdem kommt das System nicht mehr voran.

Das System ist an einen Punkt gekommen, an dem es keinen Fortschritt mehr bringt. Und wenn es noch Fortschritt gibt, dann mehrt dieser das Elend oder ist hochriskant (wie beispielsweise Gentechnik) oder beides zusammen. Auf seiner jetzigen Entwicklungsstufe ist es „normal“, dass Spekulation zu einem Wesensbestandteil des Kapitalismus geworden ist. Verbrechen und Betrug (siehe Panama-Papiere, Steuerhinterziehung, Kursmanipulationen) gehören dazu. Und natürlich die weitgehende Straffreiheit aller Betrüger und Verbrecher, wenn sie zum Großkapital gehören.

Doch was für das System „normal“ und „legal“ ist (auch die schmutzigen Panama-Geschäfte sind „legal“), ist für die Menschen und die Umwelt eine Katastrophe. Ein System, welches nur einer winzigen Gruppe von Superreichen nutzt, während die arbeitenden Menschen und die Völker immer ärmer werden, Hunger, Elend, Krieg um sich greifen – ein solches System gehört auf den Müllhaufen der Geschichte! Der Kapitalismus muss weg! Er muss durch eine neue, sozialistische Gesellschaft ersetzt werden, in der die Arbeiterklasse und das Volk das Sagen haben.