Überhöhte Treibstoffpreise führen zum Volksaufstand in Kasachstan!

Logo der Sozialistischen Bewegung Kasachstans

Seit Tagen gibt es Proteste der Bevölkerung in Kasachstan, der Auslöser der Massenproteste ist die Empörung über extrem gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen. Die Proteste haben begonnen auf  Initiative der Ölarbeiter, die zu einer Art politischem Hauptquartier der gesamten Protestbewegung geworden ist. Die Massenbewegung weitet sich immer mehr aus, es ist ein Volksaufstand der sozialer und klassenbezogener Natur ist, so in einer Erklärung Sozialistischen Bewegung Kasachstan. Russland hat inzwischen Militärische Truppen zur Unterstützung des Präsidenten entsandt und interveniert somit gegen den Volksaufstand.

Mit vollständiger Übersetzung des Aufrufes der Sozialistischen Bewegung Kasachstans – unten angehängt.

Massenproteste zeigen Wirkung!

Die Massenproteste zeigen Wirkung, die Regierung ist zurückgetreten, und trotzdem gehen die Proteste weiter. Durch die massiven Polizeieinsätze kam es zu etlichen Toten, mehr als tausend Menschen wurden verletzt. Der Präsident hat den Ausnahmezustand ausgerufen. Seitens der Polizeikräfte wurden inzwischen zweitausend Protestierende verhaftet. In der Großstadt Almaty ist inzwischen das Militär im Einsatz. Doch die Arbeiter*innen und die Werktätigen weichen nicht von den Straßen. Obwohl Kasachstan reich an Erdöl ist, lebt die Bevölkerung in Armut. Neben Erdöl verfügt das Land auch über Kohle, Erdgas, Eisen, Kupfer, Chrom, Zink, Gold, Silber und Mangan.

Arbeiter*innen antworten mit Streiks!

In mehreren Städten kam es zu Streiks in einigen sogar zum Generalstreik. Arbeiterkomitees nutzten Kundgebungen um ihre Forderungen nach einer hundertprozentigen Lohnerhöhungen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Freiheit für gewerkschaftlicher Betätigung einzufordern. Junge Arbeitslose und Arbeiter*innen mit Migrationshintergrund beteiligen sich auch an den Protesten mit eigenen Forderungen. So wurden von der gesamten Bewegung die Forderungen und Slogans verbreitet, die heute in verschiedenen Städten und Regionen verwendet werden. In vielen Orten wird auch versucht, Komitees und Räte einzurichten, um den Kampf zu koordinieren.

Sozialistische Bewegung Kasachstan ruft zu internationaler Solidarität auf!

Jetzt brauchen wir internationale Solidarität, und zwar weltweit von Arbeiter*innen, von Linken und der Kommunistischen Bewegung. Außerdem rufen wir zum landesweiten Generalstreik auf“, so in der Erklärung der Organisation. Weiter heißt es: „Die Dynamik dieser Bewegung ist bezeichnend. Es ist bemerkenswert, dass am 4. Januar die Ölgesellschaften von Tengizchevroil in den Streik getreten sind, wo die Beteiligung amerikanischer Unternehmen 75 Prozent erreicht. Dort wurden im vergangenen Dezember 40.000 Arbeiter entlassen und eine neue Entlassungswelle ist auch schon geplant. Darüber hinaus begannen am Abend desselben Tages Streiks von Bergleuten des Konzern ArcelorMittal Temirtau in der Region Karaganda und Kupferhütten und Bergleuten der kasachischen Gesellschaft, die bereits als Generalstreik in der gesamten Bergbauindustrie des Landes angesehen werden können. Und dann gab es auch Forderungen nach höheren Löhnen, einer Senkung des Rentenalters, dem Recht auf eigene Gewerkschaften und Streiks. In Zhanaozen selbst formulierten die Arbeiter auf ihrer unbefristeten Kundgebung neue Forderungen – den Rücktritt des derzeitigen Präsidenten und aller Nasarbajew-Funktionäre, die Wiederherstellung der Verfassung von 1993 und der damit verbundenen Freiheiten, Parteien und Gewerkschaften zu gründen, die Freilassung politischer Gefangener und ein Ende der Repression. 

Gemeinsam gegen die Unterdrückung!

In dieser Situation besteht die Gefahr einer gewaltsamen Unterdrückung aller Proteste und Streiks, und hier ist es notwendig, das Land mit einem Generalstreik vollständig zu lähmen. Daher ist es dringend erforderlich, einheitliche Aktionskomitees nach dem Territorial- und Produktionsprinzip zu bilden, um organisierten Widerstand gegen den Terror der Militärpolizei zu leisten. In dieser Hinsicht ist es notwendig dass die gesamte internationale Arbeiterbewegung eine  Kampagne durchführt, denn Solidarität ist notwendig.“ So die sozialistische Bewegung Kasachstan. 

Die Sozialistische Bewegung Kasachstans fordert: 

  • Sofortige Einstellung der Feindseligkeiten gegen ihr Volk und Abzug der Truppen aus den Städten!
  • Sofortiger Rücktritt aller Nasarbajew-Funktionäre, einschließlich Präsident Tokajew
  • Freilassung aller politischen Gefangenen und Inhaftierten!
  • Gewährleistung des Rechts, eigene Gewerkschaften und politische Parteien zu gründen, Streiks und Versammlungen abzuhalten!
  • Legalisierung der Aktivitäten der verbotenen Kommunistischen Partei Kasachstans und der Sozialistischen Bewegung Kasachstans!
  • Wir rufen alle Arbeiterinnen und Arbeiter des Landes auf, die Forderung der hingerichteten Ölarbeiter von Zhanaozen in die Tat umzusetzen – den gesamten Bergbau und die Großindustrie des Landes unter der Kontrolle von Arbeiterkollektiven zu verstaatlichen!“

Cayan Kartal

Anmerkung der Redaktion:

Am 6. Januar 2022 marschierten russische Besatzungstruppen auf Befehl von Putin ein. Das ist imperialistische Aggression gegen die kämpfende Arbeiterklasse. Wir verurteilen das und fordern:

  • Sofortiger Rückzug aller ausländischen Truppen!
  • Schluss mit der Unterdrückung der Arbeiterbewegung!
  • Keine Einmischung durch Russland und USA, NATO, EU!

Hier ein Viedeo von heute, 6.1.22 aus Almaty: https://www.facebook.com/watch/?v=1337032386749330

und ein weitres Video vom 6.1.22: https://www.facebook.com/watch/?v=261078219305505


Erklärung der Sozialistischen Bewegung Kasachstans zur Situation im Land

In Kasachstan findet derzeit ein echter Volksaufstand statt und trug schon ganz zu Beginn der Proteste einen sozialen und Klassencharakter, da die Verdopplung der Börsenpreise für Flüssiggas nur der letzte Tropfen war, der das Fass zum überlaufen brachte. Schließlich begannen die Manifestationen eben in Schangaösen auf Initiative der Erdölarbeiter, welche zum genuinen politischen Hauptquartier der gesamten Protestbewegung wurde. [In Schangaösen verübte das Regime 2011 ein Massaker mit dutzenden Toten unter protestierenden Arbeitern der Erdölindustrie, Anm.d.Übers.]

Bezeichnend ist die Dynamik dieser Bewegung, da sie als sozialer Protest beginnend, sich danach ausweitete und die Arbeitskollektive anfingen die Kundgebungen zu nutzen, um ihre Forderungen nach Erhöhung der Löhne um 100% zu stellen, die Ergebnisse der Rationalisierung rückgängig zu machen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Freiheit der gewerkschaftlichen Betätigung zu fordern. Als Resultat dessen wurde bereits am 3. Januar das gesamte Gebiet Mangghystau [in diesem Gebiet befindet sich auch Schangaösen, Anm.d.Übers.] von einem Generalstreik erfasst, welcher bereits auf das benachbarte Gebiet Atyrau übergesprungen ist.

Bemerkenswert ist, dass bereits am 4. Januar die Ölarbeiter der Firma Tengizchevroil, dessen Beteiligung amerikanischer Firmen 75% erreicht, zu streiken begannen. Gerade dort wurden im Dezember vergangenen Jahres 40 Tausend Arbeiter entlassen und eine neue Reihe von Kürzungen geplant. Danach wurden sie im Laufe des Tages bereits von den Erdölarbeitern der Gebiete Aktjubinsk, Westkasachstan und Qysylorda unterstützt.

Mehr noch, am Abend des selben Tages begannen Streiks der Bergleute in den Firmen „ArcelorMittal Temirtau“ im Qaraghandy-Gebiet und die Kupferschmelzer und Bergarbeiter des Konzerns „Kazakhmyz“, was bereits als Generalstreik der gesamten fördernden Industrie des Landes bezeichnet werden kann. Und auch dort wurden Forderungen nach Lohnerhöhung, die Senkung des Renteneintrittsalters, das Recht auf eigene Gewerkschaften und das Streikrecht, erhoben.

Währenddessen begannen bereits am Dienstag unbefristete Versammlungen in Atyrau, Uralsk, Aktjubinsk, Qysylorda, Taras, Taldyqorghan, Turkestan, Schymkent, Ekibastus, in den Städten des Almaty-Gebiets und in Almaty [ehem. Hauptstadt Kasachstans, Anm.d.Übers.] selbst, wo die Straßenblockaden bereits in der Nacht vom 4. zum 5. Januar in offene Zusammenstöße der Demonstranten mit der Polizei übergingen und in dessen Folge das Gebäude der Regionalregierung zeitweilig erobert wurde. Dies lieferte Qassym-Schomart Toqajew [Präsident Kasachstans, Anm.d.Übers.] die Grundlage zur Einführung des Ausnahmezustandes.

Es ist anzumerken, dass in diesen Manifestationen in Almaty bereits zum größten Teil die arbeitslose Jugend und Binnenmigranten teilnahmen, welche in den Vororten der Metropole leben und in befristeten und schlecht bezahlten Jobs arbeiten. Die Versuche sie mit Versprechungen zu beruhigen und den Gaspreis auf 50 Tenge separat für das Gebiet Mangghystau und Almaty zu senken, überzeugten bereits niemanden mehr.

Die Entscheidung durch Qassym-Schomart Toqajew die Regierung zurücktreten zu lassen und danach Nursultan Nasarbajew [langjähriger Ex-Präsident, Anm.d.Übers.] vom Posten des Vorsitzendes des Sicherheitsrates zu entfernen, haben die Proteste ebenfalls nicht gestoppt, da seit dem 5. Januar massenhafte Protestkundgebungen bereits in den regionalen Zentren Nord- und Ostkasachstans begannen, wo es sie bis dahin nicht gab – in Pertropawlowsk, Pawlodar, Ust-Kamenogorsk und Semipalatinsk. Während dessen wurden in Aktjubinsk, Taldyqorghan, Schymkent und Almaty Versuche unternommen, im Sturm die Gebäude der Regionalregierung einzunehmen.

In Schangaösen selbst, formulierten die Arbeiter auf ihrer unbefristeten Kundgebung neue Forderungen: Abtritt des amtierenden Präsidenten und aller Nasarbajew-Beamten; die Wiederherstellung der Verfassung von 1993 und der mit ihr verknüpften Freiheiten zur Gründung von Parteien und Gewerkschaften; die Befreiung der politischen Gefangenen und das Ende der Repressionen. Eben hier wurde der Ältestenrat gegründet, welcher zu einem inoffiziellen Machtorgan wurde.

Über jenen wurden der gesamten Bewegung Forderungen und Losungen übermittelt, welche jetzt in verschiedenen Städten und Regionen benutzt werden und der Kampf erhielt einen politischen Inhalt. In den Orten werden auch Versuche unternommen, Komitees und Räte zur Koordination des Kampfes zu gründen.

Zur selben Zeit wurden in Almaty, Aqtau und Schangaösen Truppen zusammen gezogen und obwohl im Mangghystau-Gebiet alles friedlich verlief und Soldaten sich weigerten die Demonstranten auseinander zu treiben, so begannen in der südlichen Hauptstadt [Almaty, d.Übers.] Schusswechsel und in der Nacht vom 5. zum 6. Januar wurden Spezialeinheiten eingesetzt, welche mit der gewaltsamen Säuberung des Flughafens und der Viertel begannen, welche von den Aufständischen gehalten waren. Nach verschiedenen Quellen gibt es bereits dutzende Tote auf Seiten der Demonstranten.

In dieser Situation besteht die Gefahr der gewaltsamen Niederschlagung aller Manifestationen und Streiks und es ist nötig das Land mit einem Generalstreik zu paralysieren. Darum ist es dringend erforderlich einheitliche Aktionskomitees nach Territorialprinzip und nach Industriezweigen zu gründen um einen organisierten Widerstand gegen den Militär- und Polizeiterror zu leisten.

In Verbindung damit ist auch die Unterstützung der gesamten internationalen Arbeiterbewegung und der kommunistischen Bewegung, der linken Vereinigungen mit dem Ziel der Organisation einer weltweiten Kampagne im großen Maßstab notwendig.

Die Sozialistische Bewegung Kasachstans fordert:

Unverzüglicher Stopp der militärischen Handlungen gegen das eigene Volk und der Abzug der Truppen aus den Städten!

Unverzügliche Absetzung aller Nasarbajew-Beamter, darunter auch des Präsidenten Tokaew!

Befreiung aller politischen Gefangenen und Inhaftierten!

Sicherstellung des Rechts auf eigene Gewerkschaften, politische Parteien und die Durchführung von Streiks und Versammlungen!

Legalisierung der Tätigkeit der verbotenen Kommunistischen Partei Kasachstans und der Sozialistischen Bewegung Kasachstans!

Wir rufen alle Arbeiter und Werktätigen des Landes zur Umsetzung der Forderungen der erschossenen Erdölarbeiter Schangaösens auf – die Nationalisierung der gesamten fördernden und Großindustrie des Landes unter der Kontrolle der Arbeitskollektive!

Quelle: http://socialismkz.info/?p=26802 (06. Januar 2022)