Auf zum Sommercamp! Zur Tradition des Jugendzeltlagers in der Arbeiterbewegung

Es ist wieder Sommer und es treibt die Jugend wieder auf die Straßen und an die Strände. Diese Wochen und Monate nutzen viele als Gelegenheit, in den Urlaub zu fahren. Ob Strandurlaub am Mittelmeer und an der Nordsee oder Abenteuer auf Interrail, jeder und jede sucht Entspannung und die Flucht aus dem Alltag. Dabei ist eine Möglichkeit ,den Sommer zu verbringen und zu gestalten, sehr viel weniger populär als vielleicht noch vor 100 Jahren: das Jugendzeltlager oder Sommercamp.

Anfang letzten Jahrhunderts wurde das Zeltlager innerhalb der Arbeiterjugendbewegung etabliert. Viele Organisationen wie die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ), Rote Hilfe und die KPD führten Ferienlager für Arbeiterkinder und -jugendliche durch und prägten die Freizeitgestaltung und politische Erziehung ganzer Generationen. Diese Zeltlager boten Kindern und Jugendlichen aus armen Arbeiterfamilien die Möglichkeit mit anderen Jugendlichen ihre Ferien oder ihren Urlaub zu verbringen. Dem Alltag der lauten und verdreckten Stadt zu entfliehen und die Betätigung bei Sonnenschein und frischer Luft zu suchen. Dabei haben sie gleichzeitig eine sehr politische Wirkung entfaltet. Als Höhepunkt der Jahresarbeit der Kinder- und Jugendorganisationen nehmen Zeltlager eine besondere Stellung in der Arbeiterbewegung ein. Durch sie wurden Kinder und Jugendliche mit den Arbeiterorganisationen in Kontakt gebracht. Sie boten die Gelegenheit, einander besser kennenzulernen, den Zusammenhalt zu stärken und Fähigkeiten oder Wissen untereinander auszutauschen. Die Teilnahme internationaler Gäste, aus den Arbeiterorganisationen anderer Länder hat eine lange Tradition. Dies bot die Gelegenheit für die Teilnehmenden, sich in den internationalen Kampf der Arbeiterbewegung einzuordnen und Berichte und Erfahrungen aus anderen Ländern zu hören und zu diskutieren.

Um ein solches Zeltlager auszurichten, bedarf es viel Arbeit und Koordination. Hierzu wurden Zeltlagerverwaltungen einberufen, die alle Fragen um den Lageralltag behandeln und die den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit boten, ihre Interessen und Bedürfnisse einzubringen und gemeinsam Entscheidungen über das Zeltlagerleben zu treffen. Sie lernen dabei aktiv und angewandt die Grundlagen der politischen Ziele und Perspektiven im Sozialismus – an dieser Stelle wurde aufgezeigt, wie eine Gesellschaft frei von Ausbeutung und Spaltung aussehen könnte. Der Kapitalismus zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass ein Arbeiter für die verrichtete Lohnarbeit keinen Bezug zu seinem geschaffenen Produkt haben muss. Der Nutzen oder Gebrauch, der aus dem Produkt gezogen werden kann, kann ihm gleichgültig sein. Er ist entfremdet von der eigenen Tätigkeit und führt sie einzig und allein für den Lohn aus. Im Zeltlager findet man andere, konkrete Arbeit wieder. Ob man nun gemeinsam ein Zelt errichtet, das Abendessen zubereitet oder ein Feuer macht, die Tätigkeit birgt einen Ertrag, der einen direkten Nutzen für die Gemeinschaft hat. Es gibt kein Lohnverhältnis, in das sich die Kinder und Jugendlichen begeben müssen. Hierdurch kann ein Raum für Eigenverantwortung und Emanzipation geschaffen, das Bewusstsein für kollektive und selbstverwaltete Arbeit gestärkt werden. In Zeiten der wachsenden Isolation und Individualisierung gewinnen Aktivitäten wie das Zeltlager an Bedeutung. Sie bieten zum einen die Möglichkeit unsere Freizeit in unserem Sinne zu gestalten, sie bringen uns aber auch auf politischer Grundlage zusammen und schaffen die Perspektive für eine neue Gesellschaft.

Siehe auch: https://www.arbeit-zukunft.de/2023/04/29/sommercamp-2023-wir-nehmen-unsere-zukunft-selbst-in-die-hand/