Flüchtlinge als „Riesenproblem“

Verfolgt man die Berichterstattung in den Medien und die deutsche und europäische Politik so scheint es ein „Riesenproblem“ zu geben, dass offensichtlich sogar den Krieg in der Ukraine in den Schatten stellt: die Flüchtlinge!

Inflation, Krise, steigende Arbeitslosigkeit, Verarmung – das alles scheint fast unwichtig gegen die angeblich riesige Bedrohung durch Flüchtlinge. Ständig wird vor dem Kollaps gewarnt.

Gemeinsame Front mit Faschisten

Daher schmieden die Herrschenden aktuell eine Front von Sozialdemokraten bis hin zu Faschisten, Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin und CDU, traf sich Mitte September freundschaftlich mit der italienischen Ministerpräsidentin Meloni, Vorsitzende der nach außen weich gespülten faschistischen Partei. Gemeinsam besuchten sie Tunesien und Lampedusa. Sie unterstützten sich gegenseitig in der Forderung nach mehr Abschottung Europas und palaverten munter von „Illegalen“, die Europa „bedrohen“. In dieser Front fehlt auch nicht die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie erklärte zum Treffen von Meloni und von der Leyen, „dass sich Deutschland immer solidarisch gezeigt hat und dies auch weiter tun wird“.


Schon als Junge Unionler litt Friedrich Merz darunter, dass er nie einen Termin beim Zahnarzt bekam, weil Flüchtlinge bevorzugt wurden. (Fotomontage; Foto 1989, wikipedia)

Zuletzt hat Friedrich Merz, CDU-Voristzender in bewährter „christlicher“ Manier gegen Flüchtlinge gehtzt: Diese würden sich teuer auf Kosten der Allgemeinheit die Zähne sanieren lassen, während „die Deutschen“ kaum noch Termine beim Zahnarzt bekämen. Privatpatient Merz hat sicher schon oft in der Warteschlange beim Zahnarzt ausgeharrt, während Dutzende Flüchtlinge vor ihm behandelt wurden?.

Fakten spielen keine Rolle

Die Zahl der Asylanträge in Deutschland 2015 rund 442.000 und stieg 2016 auf rund 722.000. 2023 lag die Zahl der Asylanträge bis jetzt bei ca. 204.000; bis Jahresende werden es 250.000 oder 260.000 sein. Das ist leicht höher als 2022, aber weit entfernt von 2015/16. Daher operiert man mit Schätzungen vor allem von Frontex, der Abwehragentur der EU für Flüchtlinge. Da werden enorm aufgeblasene Prognosen abgegeben. Frontex ist dafür bekannt, mit aller Gewalt und in trauter Kooperation mit Diktaturen Menschen in Not absaufen zu lassen oder zurückzuschleppen.

Diktaturen als „Partner“


Titelbilder des Spiegel, der regelmäßig gegen die Fakten eine Asylflut beschwört. (Montage)

Bei der Abwehr von Flüchtlingen stützt man sich auf brutale Diktaturen wie in Ägypten und Tunesien. Zuletzt schloss die EU mit dem tunesischen Diktator Saied im Juli ein „Migrationsabkommen“, wonach Tunesien Flüchtlinge von der EU abhalten und aus der EU zurücknehmen soll. Der Diktator erhielt dafür eine deutliche diplomatische Aufwertung und vor allem viel Geld: 900 Millionen sollen die Staatspleite verhindern. So werden Diktatoren gestützt.

Dabei war bekannt, dass die tunesische Polizei Migranten mitten in der Wüste ausgesetzt hat und dort verhungern und verdursten ließ – Kinder inbegriffen. Nun soll diese Diktatur die „humanitären Werte“ der EU schützen?

Ende September wurden vorab 127 Mio. € an die tunesische Diktatur überwiesen. 67 Mio. € davon sollen unter anderem zur Beschaffung neuer Schiffe, Wärmekameras, Suchaktionen, Rückführung von Geflüchteten verwendet werden. 60 Mio. € sind zur Sanierung des bankrotten Staatshaushaltes.

Das Ergebnis: Aus Tunesien kommen immer mehr Flüchtlinge in hochseeuntauglichen Booten. Das Geschäft boomt vor den Augen der Behörden oder eher unter tätiger Duldung und Mithilfe. Warum sollte ein kriminelles Regime nicht auch Kriminellen Platz für ihre Geschäfte einräumen, auch wenn dabei tausende im Mittelmeer ertrinken. Feine Partner der „Wertegemeinschaft“ EU!

Fluchtursachen ausgeblendet

Indem die Flüchtlinge ständig als „Illegale“ und damit zu Straftätern gemacht werden, werden die Fluchtursachen ausgeblendet. Das sind unter anderem

  • Ausplünderung der abhängigen Länder, vor allem ihrer Rohstoffe,
  • Klimaerwärmung, die vor allem die armen Länder trifft, aber von den imperialistischen Staaten verursacht wurde
  • Monokulturen im Agrarsektor nach den Bedürfnissen der Industriestaaten bei zunehmendem Hunger für die Bevölkerung. Ausplünderung der Natur.
  • Von den imperialistischen Staaten, egal ob USA, EU, Deutschland oder Russland, China unterstützte Diktaturen und Kriege um Einflusszonen
  • Braindrain – also Abwerbung qualifizierter Fachkräfte, die zuvor von den armen Staaten ausgebildet wurden. So sparen sich die imperialistischen Länder hohe Ausbildungskosten und bekommen dazu Billigarbeitskräfte.

So werden die Länder ausgeblutet, das Elend permanent vergrößert. Laut UNCHR sind derzeit über 110 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Die meisten davon sind Binnenflüchtlinge, also innerhalb der armen und von Krieg betroffenen Staaten. Die EU nimmt nur einen kleinen Teil der durch ihre Politik und Ökonomie zur Flucht gezwungenen Menschen auf.

Wollte man wirklich Flucht, Schlepper und Schleuser bekämpfen, dann müsste man diese Ursachen angehen. Denn dass Menschen lebensgefährliche Fluchtrouten nehmen, liegt ja wohl an der ungeheuren Not und Verzweiflung. Mit ihrer Grenzpolitik vergrößert die EU diese Not und erhöht die Lebensgefahr für Flüchtende.

Würde man die Fluchtursachen bekämpfen, dann müsste die Bundesregierung gegen die Interessen des Kapitals handeln – Ausplünderung beenden, Waffenhandel stoppen, Braindrain beenden. Das wäre paradox, denn diese Regierung vertritt in allen Angelegenheiten die Interessen des Kapitals, Profit, Aufrüstung, Förderung des Exports, billigste Rohstoffbeschaffung usw. Sie ist eine Regierung des Kapitals! Das Gerede von Humanität soll diese nackte Tatsache verschleiern und den Menschen Sand in die Augenstreuen.

Sündenböcke

Zugleich kann man die Flüchtlinge sehr gut als Sündenböcke gebrauchen. Während das Schul- und Bildungssystem verfällt, die Wohnungsnot riesige Ausmaße annimmt, Aufrüstung und Krieg die Menschen bedrohen, die Inflation die Verarmung breiter Teile vorantreibt, die Klimakrise rasant weitergeht, das öffentliche Verkehrswesen immer katastrophaler wird, das Gesundheitswesen und die Pflege ruiniert werden, wird das Thema Flüchtlinge hochgekocht. Man braucht Sündenböcke. Und das sind ausgerechnet die Opfer dieses Systems.

Flüchtlingsproblem lösen?

Wir können also sehen, dass dieses System gar kein Interesse an der Lösung der Flüchtlingsfrage, der Bekämpfung der Fluchtursachen hat. Es profitiert ja massiv davon und kann es politisch zur Verschleierung der wirklichen Widersprüche in unserer Gesellschaft, denen zwischen Arbeit und Kapital, nutzen. Wollte dieses System das Flüchtlingsproblem ernsthaft lösen, müsste es seine eigene Herrschaft untergraben. Schon eine Reduzierung der Ausplünderung der abhängigen Länder würden den Profit und den Kapitalkreislauf so schädigen, dass es zu einer tiefen Krise käme. Den Waffenhandel zu stoppen, wäre Verzicht auf die ungeheuren Profite. Auch ernst zu nehmender Klimaschutz geht zu Lasten der Profite. Geschenkt gibt es da nichts. Mit einer Lösung des Problems würde das bestehende System seine eigenen Existenzgrundlagen untergraben.

Innerhalb des kapitalistischen Systems – egal ob bei dem Wertewesten oder Russland und China – kann es daher nicht geben.

Was es geben kann, ist der permanente Kampf um Menschenrechte, um Humanität und Solidarität! Was es geben kann, sind immer wieder kleine Erfolge. Was es geben kann, ist das wachsende Bewusstsein in diesen Kämpfen, dass wir einen Regimechange brauchen, eine andere Gesellschaftsform – ohne Profit und Kapitalkreislauf.

Wie kann das Flüchtlingsproblem im Sozialismus gelöst werden?

Je länger es dauert, bis der Kapitalismus durch eine andere, sozialistische Gesellschaftsordnung abgelöst wird, umso größer werden die Schäden und Zerstörungen, die Not und das Elend der Menschen werden. Es wird daher keine Lösung innerhalb kürzester Zeit geben. Aber wenn das Profitprinzip nicht mehr die Ökonomie und das Handeln des Staates bestimmt, dann kann man rasch folgende Maßnahmen umsetzen:

  • Beendigung der Ausplünderung und der Abhängigkeit anderer Staaten! Ersetzung durch einen fairen, gleichberechtigten Handel!
  • Umstellung der Produktion entsprechend den Erfordernissen des Umweltschutzes! Das verbessert die Lebensqualität, kann den Klimawandel bremsen oder sogar stoppen.
  • Umstellung der Agrarproduktion auf die Bedürfnisse der Menschen, statt auf die Bedürfnisse der Industrie und des Kapitals. So können alle Menschen in ihren Ländern eine Lebensgrundlage finden.
  • Beendigung der Unterstützung von Diktaturen, von Waffenlieferungen und Kriegen sowie den Kampf um Einflusszonen!
  • Statt „Braindrain“ kostenlose Ausbildung von Fachkräften für die vormals abhängigen Länder, die dann in ihrer Heimat beim Aufbau helfen können.

All diese Maßnahmen hat die Sowjetunion, solange sie sozialistisch war, ergriffen und damit vielen Völkern und Staaten solidarisch zur Seite gestanden. Das hat zwar noch nicht den herrschenden Imperialismus beseitigt, aber weltweit eine Perspektive aufgezeigt. Endgültig kann die Ausplünderung nur beendet werden, wenn auch der Kapitalismus weltweit besiegt ist.