Betriebsratswahlen 2026 – eine Chance

Die Betriebsratswahlen (BR-Wahlen) 2026 liegen auf den ersten Blick noch in weiter Ferne, aber die Vorbereitungen sind in den Betrieben, Geschäftsstellen und Bezirken der Gewerkschaften bereits im vollen Gange.  Wie sollten wir auf die BR-Wahlen schauen – in Zeiten, in denen der Unmut gegenüber der Gewerkschaftsführung wächst und die Angriffe auf einzelne Belegschaften und die gesamte Arbeiterklasse zunehmen?

Alle vier Jahre werden auf Basis des Betriebsverfassungsgesetzes die Betriebsräte neu gewählt. Das nächste Mal ist es zwischen Anfang März und Ende Mai 2026 so weit. Die Beschäftigten wählen sogenannte Vorschlagslisten, auf denen sich Kandidaten zusammenschließen, die gemeinsam antreten wollen. In Betrieben mit nur einer Liste – häufig solche mit hohem gewerkschaftlichem Organisationsgrad und stabiler Vertrauensleutestruktur – findet eine Personenwahl statt.

Auch wenn aktuell der Betriebsrat in vielen Betrieben das einzige Gremium zur Interessenvertretung der Belegschaft darstellt, muss das Prinzip der Betriebsräte an vielen Stellen kritisch betrachtet werden. Denn nicht selten passiert es, dass Betriebsräte sich von der Belegschaft entfremden, Entscheidungen über die Köpfe der Kolleginnen und Kollegen hinweg treffen und eine arbeitgebernahe Politik machen. Dies sind keine Einzelfälle und sie finden ihren Ursprung bereits im Betriebsverfassungsgesetz, welches die Handlungsgrundlage des Betriebsrates bildet und ihn unter anderem verpflichtet „[…] vertrauensvoll […] zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs […]“ mit dem Arbeitgeber zusammen zu arbeiten. Trotzdem bietet es gesetzlich verankerte Mistbestimmungs- und Informationsrechte, die uns als Arbeiter im Betrieb und als Klasse im Kampf nützlich sein können. So können zum Beispiel Überstundenanträge des Arbeitgebers abgelehnt werden um Druck auf das Unternehmen auszuüben oder wirtschaftliche Informationen verlangt werden, zu denen der Belegschaft sonst der Zugang verwehrt bliebe. Dadurch können unter anderem die gewerkschaftlichen Kämpfe der Belegschaft gestärkt werden.
Deshalb sollten wir die Wahl als Chance begreifen – als Chance, die Gremien mit fortschrittlichen, klassenbewussten und kampfbereiten Kollegen zu besetzen.

Gerade in Zeiten, in denen sich die Spannungen und Auseinandersetzungen international verschärfen, nehmen die Angriffe auf die Arbeiterklasse zu. Deshalb braucht es eine klare Strategie für die Betriebsratswahlen. Denn wenn unsere Arbeitsplätze in zehntausendfacher Zahl angegriffen werden, wenn wir zugunsten stabiler oder höherer Profitraten zurückstecken sollen, wenn die Arbeitszeit verlängert werden soll oder Lohnbestandteile gestrichen werden sollen, gerade dann brauchen wir fortschrittliche Kolleginnen und Kollegen in den betrieblichen Gremien – allen voran in den Vertrauenskörpern, aber auc in den Betriebsräten. Nur so können wir unsere Position im Kampf mit der Arbeitgeberseite stärken.
Eine besonders wichtige Rolle spielen aktuell die Angriffe auf die Arbeitszeit, allen voran die Bemühungen zur Abschaffung des 8-Stunden-Tages. Die Verkürzung der Tagesarbeitszeit ist eine der ältesten und zentralsten Forderungen der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung überhaupt. Von ehemals bis zu 16 Stunden pro Tag hat es die Arbeiterklasse in vielen Ländern durch jahrzehntelange, zum Teil blutige Kämpfe geschafft, die Tagesarbeitszeit auf acht Stunden zu begrenzen. Es handelt sich dabei um eine der größten und bedeutsamsten Errungenschaften der Arbeiter, denn ein kürzer Arbeitstag steht für sie in die direktem Zusammenhang mit Selbstbestimmung, Gesundheit und Freiheit. Sollte es jedoch dazu kommen, dass das deutsche Kapital mit seinen Angriffen in Form einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit Erfolg hat und damit die Errungenschaft des 8-Stunden-Tages zunichtemacht, ist die Büchse der Pandora geöffnet. Die Kapitalseite wird sich, angestachelt durch den Erfolg, auf eine Errungenschaft nach der anderen stürzen und die Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse schnell und drastisch verschlechtern – zugunsten ihrer Gewinne und „Konkurrenzfähigkeit“.
Genau solche Tatsachen müssen uns bewusst sein, wenn wir über die kommenden BR-Wahlen sprechen. Schon jetzt müssen wir uns Gedanken darüber gemacht haben, wer da gerade auf den Betriebsratsposten sitzt und ob sie ihr Amt im Sinne der Kolleginnen und Kollegen erfüllen. Als fortschrittliche Arbeiter in den Betrieben ist es unsere Aufgabe, einen Überblick darüber zu haben, wer in unserem Betrieb dazu geeignet ist diese Ämter vertrauensvoll und klassenbewusst zu bekleiden. Es ist unsere Aufgabe frühzeitig eine Strategie zu entwickeln, mit der wir an die Betriebsratswahl herangehen und auf diese Einfluss nehmen können. Welche Kollegen sollten wir dazu motivieren, sich zur Wahl aufzustellen und welche Kandidaten sollten wir bei ihrer Kandidatur unterstützen? Sind wir gut genug durch die Liste der Gewerkschaft vertreten oder sollten wir uns selbst bemühen, auf die Liste der Gewerkschaft gesetzt zu werden? Ist es in einigen Fällen sogar notwendig eine eigene Liste aufzustellen? All diese Fragen müssen für uns geklärt sein, um die lähmende sozialpartnerschaftliche Haltung innerhalb des Betriebsrates – aber auch in den gewerkschaftlichen Gremien – zurückzudrängen und in den Betrieben zunehmend eine konsequente, standfeste und klassenbewusste Politik im Interesse der Belegschaft zu etablieren, die sich auf die Einbeziehung und gewerkschaftliche Organisierung der Kolleginnen und Kollegen stützt. Insbesondere in Anbetracht der sich zuspitzenden Angriffe auf Arbeitsrechte und Tarifbindung und um auf weiter Versuche dieser Art vorbereitet zu sein, wird die Aufmerksamkeit in diesen Fragen zu einer dringenden Notwendigkeit.
Die Betriebsratswahlen werden in den Betrieben in Deutschland innerhalb der kommenden Monate zunehmend präsent werden und so wollen auch wir uns in den kommenden Ausgaben weiter mit diesem Thema beschäftigen. Denn die Betriebsratswahlen müssen von uns als eine Gelegenheit begriffen werden, unsere Kampfbereitschafts als Arbeiter zu stärken und den immer schwierigeren Bedingungen besser und standfester entgegen treten zu können. Erfahrungen und Berichte zu den Betriebsratswahlen können gerne als Leserbriefe eingesendet werden.