Bundeswehr soll „zur stärksten Armee Europas… werden“ – eine Drohung!
In seiner Regierungserklärung Mitte Mai kündigte Bundeskanzler Merz an, die Regierung werde „alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden“.
In das gleiche Horn stieß der neue Außenminister Wadephul (CDU), der 5% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Aufrüstung forderte. Bei einer Höhe des BIP von 4,3 Billionen Euro sind das rund 215 Milliarden Euro jährlich und ca. 130 Milliarden mehr als derzeit. Der Bundeshaushalt beträgt aktuell 489 Milliarden Euro – das 5%-Ziel zu erreichen würde also bedeuten, fast die Hälfte des Haushalts für Rüstung auszugeben. Die Schuldentilgung aus dem Bundeshaushalt beträgt zusätzliche 317,3 Milliarden Euro. Da bleibt dann nichts mehr übrig.
Selbstverständlich meldete die SPD als Koalitionspartner „Bedenken“ an. 3,5% für die Bundeswehr würden doch reichen. Das wären dann „nur“ ca. 150 Milliarden Euro, also „nur“ ungefähr 70 Milliarden mehr. Man einigte sich auf einen „Kompromiss“: 3,5% werden direkt für Aufrüstung angepeilt und 1,5% für militärisch wichtige Infrastruktur. Das sind dann wieder 5%, aber die SPD kann einen „Erfolg“ vermelden.
Zugleich wird damit noch einmal klar, wofür das 500 Milliarden Infrastrukturpaket hauptsächlich dient, das noch vor der Wahl von Merz – auch mit Hilfe der Linken im Bundesrat – auf den Weg gebracht wurde. Es geht nur nebenbei um Schulen oder Kindergärten. Da wird es ein paar Projekte für die Medien geben. Aber hauptsächlich geht es darum, die Infrastruktur „kriegstüchtig“ zu machen. Was nutzen Unmengen Panzer, wenn sie nicht rechtzeitig mit der Bahn an die Front kommen oder die maroden Brücken unter ihnen einstürzen? Wer Krieg will, braucht gute Straßen und funktionierende Eisenbahnverbindungen.
Stärkste Armee? Stärker als die russische Armee?
Aktuell sieht die Rangliste bei den Ausgaben für Militär so aus:
USA: 997 Milliarden US-Dollar, China: 314 Milliarden US-Dollar, Russland: 149 Milliarden US-Dollar, Deutschland: 88,5 Milliarden US-Dollar
Mit den geplanten 150 bzw. 215 Milliarden Euro (ca. 247 Milliarden Dollar) käme Deutschland tatsächlich an die dritte Stelle weltweit, wäre damit über der Großmacht Russland und nahe an der Großmacht China. Damit könnte das deutsche Kapital seinen seit über hundert Jahren gehegten Traum, Führungsmacht in Europa zu werden, endlich realisieren. Was der deutsche Kaiser im 1. Weltkrieg nicht geschafft hat und die NS-Diktatur im 2. Weltkrieg ebenso nicht, ist damit für das Kapital zum Greifen nah. Mit dem Kurs der Regierung aus CDU/CSU und SPD würde Deutschland zur dominanten Macht in Europa. Das ist eine Bedrohung für alle europäischen Völker, die aus Erfahrung wissen, was deutsche Herrschaft für sie bedeutet: Unterordnung und Ausbeutung. Käme ein geeintes, starkes Europa unter deutscher Führung dazu, dann könnte man wieder im Konzert der imperialistischen Weltmächte mitspielen.
Doch natürlich schauen die Konkurrenten nicht untätig zu. Der französische Imperialismus strebt ebenfalls die Führung in der EU an. Italien unter Meloni geht seine eigenen Wege und bandelt mit dem US-Imperialismus unter Trump an. Und sowohl die USA wie Russland als auch China wollen in ihrem imperialistischen Ringen um die Weltherrschaft nicht noch einen lästigen Konkurrenten. Das bedeutet, die Aufrüstungsspirale wird sich weiterdrehen und die jetzt angepeilten 3,5% plus 1,5% werden bald nicht mehr ausreichen, um in diesem Kampf um Dominanz mithalten zu können. Zudem steigt damit die Gefahr eines Weltkrieges. Irgendwann wird irgendeine der beteiligten Großmächte vielleicht versuchen, mit einem Erstschlag die Konkurrenz zu besiegen. Planungen und passende Rüstungsprojekte dafür gibt es bereits.
Wer bezahlt?
Ein starker deutscher Imperialismus ist aber auch eine Bedrohung für die Arbeiterklasse und das Volk in Deutschland, denn sie müssen diesen Traum teuer bezahlen. Schon jetzt wird in den Medien dafür getrommelt, dass zur „Verteidigung“ Opfer gebracht werden müssen. Ständig wird uns erklärt, dass das Gesundheitswesen zu teuer ist, dass die Rentner zu viel kosten, dass die Sozialleistungen „ausgeufert“ seien. Zwar wird regelmäßig viel versprochen, doch real geht es für die Arbeiterklasse und das Volk seit Jahren bergab. Mit Militarisierung und Aufrüstung wird es noch massiver abwärts gehen. Beispiel Wohnungsnot: Jede Regierung – auch die jetzige – hat vollmundig mehr und billigeren Wohnraum versprochen. Stattdessen sinkt die Zahl von neu gebautem Wohnraum und die Mieten steigen rasant. Beispiel Gesundheitswesen: Mit großen Sprüchen wird seit Jahren abgekündigt, die medizinische Versorgung zu verbessern. In der Realität wird es ständig schlechter für das Personal in diesem Bereich und die Patienten. Oder Pflege: Eine „Pflegereform“ folgt auf die andere. Aber die Pflege wird schlechter und die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal immer katastrophaler. Rund 21% der Bevölkerung in Deutschland sind bereits jetzt von Armut betroffen. Verbesserungen? Gibt es nicht, dafür immer weitere Verschlechterungen.
Vielleicht gibt es bei dem jetzigen Kurs eine kurze Scheinblüte durch den „Aufschwung“ im Rüstungssektor. Vor 1939 gab es auch auf einmal viele Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie. Doch eine solche Scheinblüte muss bitter bezahlt werden. Sie wird mit Schulden finanziert, die irgendwann abbezahlt werden müssen. Sie erfordert ebenso massiven Sozialabbau.
Russland erobert Europa?
Als Begründung für die massive Aufrüstung wird immer wieder verbreitet, dass sonst Putin bald in Berlin einmarschieren würde. Man müsse ihn jetzt stoppen.
Selbstverständlich ist Russland eine imperialistische Großmacht wie auch die USA und China und wie es Deutschland gerne werden möchte. Aber in drei Jahren Krieg hat Russland noch nicht einmal die Ukraine erobern können. Es wurde sogar nach einem raschen Vorstoß in vielen Gebieten wieder zurückgedrängt. Bis jetzt sind russische Truppen – trotz der ungeheuren Übermacht – keine 200 Kilometer vorgerückt. Wie glaubwürdig ist es da, dass die russische Armee die 7.000 Kilometer bis Deutschland schafft? Sie müsste sich noch durch die gesamte Ukraine, Polen und Tschechien kämpfen. Würde sie das bei dem Verschleiß und der offensichtlich schlechten Kampfmoral der Truppen jemals schaffen? Einerseits wird uns in den Medien berichtet, dass Putin Strafgefangene an die Front zwingt und koreanische Soldaten importiert, weil der Zustand der Armee miserabel sei. Andererseits sollen wir glauben, dass eine Armee, die in drei Jahren keine 200 km vorgerückt ist, es locker bis Berlin schafft. Welche Erzählung gilt denn? Offensichtlich handelt es sich bei beiden Versionen um Propaganda. Zudem könnten weder die USA noch China es zulassen, dass Russland auf diesem Wege wieder zu einer wirklichen Bedrohung für diese beiden Großmächte würde. Sie haben zwar ein Interesse, den Konkurrenten Deutschland und die EU klein zu halten. Aber sie haben kein Interesse, dafür den russischen Imperialismus zu stärken.
Moral und Werte
Natürlich ist „unsere“ Seite immer die gute. Mit „Moral“ sollen wir vor den Kriegskarren gespannt werden. Doch, wer ist da besser? Ein Putin, der vom früheren großrussischen Reich träumt? Oder das Deutschland des Kapitals, dass Israel massiv mit Waffen beliefert, damit es die Palästinenser vertreiben und morden kann? Oder ein Deutschland, das gute Kontakte zu dem Ein-Mann-Herrscher Erdogan in der Türkei und zur Kopf-ab-Diktatur Saudi-Arabien pflegt? Werte und Moral sind immer unwichtig, wenn es um die eigenen Machtinteressen geht. Da schüttelt man blutige Hände freundschaftlich. Genauso prangert man in toller Moralpose die Menschenrechtsverletzungen des Gegners an. Der Gegner ist immer böse und ein Teufel. So sollen Menschen propagandistisch für Waffenlieferungen und Kriege gewonnen und schließlich als Kanonenfutter verheizt werden. Aber auf beiden Seiten muss die Arbeiterklasse und das Volk für die Machtinteressen ihrer herrschenden Klasse zahlen.
Statt sich gegenseitig die Köpfe für diese herrschenden Klassen einzuschlagen, brauchen wir internationale Solidarität – gegen sie! Das ist die Moral der Arbeiterklasse! Unser Beitrag besteht darin, gegen die Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen unserer herrschenden Klasse in Deutschland zu mobilisieren.