Korrespondenz: Ein Ehepaar kämpft ums Überleben

Ein Leser von „Arbeit Zukunft“ machte uns auf einen unglaublichen Fall aufmerksam, der ein grelles Schlaglicht auf den Umgang von Behörden mit behinderten und kranken Menschen wirft.

Auf der Internetseite http://www.ich-leiste-widerstand.de/Startseite/Ein%20Ehepaar%20kaempft%20ums%20Ueberleben.pdf beschreibt Birgit Kühr, wie sie als Rollstuhlfahrerin und ihr Mann, der sich vor kurzem den Fuß gebrochen hat, im Winter bei Schnee und Eis ohne Nahrung, ohne medizinische Hilfe eingeschlossen saßen. Bitten um Hilfe an das Amt für Grundsicherung und an die Krankenkasse wurden prompt beantwortet: Man schickte einen Antrag, der vom Arzt ausgefüllt werden sollte. Beide wussten allerdings, dass die Betroffenen ihr Haus nicht mehr verlassen konnten. Wir können hier nicht den ganzen Bericht wiedergeben. Birgit Kühr beschreibt diesen Fall sehr lebendig und eindrücklich.

Der Fall zeigt allerdings deutlich, was in diesem System ein Mensch wert ist. Während sich die Herrschenden bei jeder „in Not“ geratenen Bank vor Dienstfertigkeit überschlagen und ohne Bürokratie und Behördenschikanen Milliarden zur Verfügung stellen, werden Menschen in Not erniedrigt und gedemütigt.

Und hier der Bericht von Birgit Kühr über die weitere Entwicklung:

Hallo Arbeit Zukunft,

Du fragst, wie unser Kampf weiter gegangen ist?

Für uns haben weiterhin Freunde, Bekannte und Nachbarn eingekauft. Ohne ihre Hilfe, wären wir glatt verhungert. Am 07.01.2011 hatte ich einen wichtigen Arzttermin bei meiner Hausärztin.

Unter Lebensgefahr bin ich mit meinen Rollstuhl auf dem vereisten Weg bei uns los gefahren. Ich wusste nicht, wo die Fahrt endet? Den ersten Abschnitt meines Weges habe ich gut überstanden. Genauso wie ich es erwartet habe, war aber der zweite Abschnitt meines Weges bis zur Stadt vollkommen abgeschnitten.

Unser Ordnungsamt teilte mir vorher mit, dass dieser Weg Niemandsland ist und dort auch kein Winterdienst stattfindet. Also Augen zu und durch. Wenn diese Situation für mich eintritt heißt es auf die Bundesstraße fahren.

Genauso wie die Autofahrer schaltete ich an meinen Rollstuhl das Licht ein und fuhr die ca. 500 Meter auf der Bundesstraße 2. Die Straße war rutschig, der Seitenstreifen war matschig und ich muss dann immer aufpassen, dass mich die großen Trucks nicht von der Straße drücken.

An der ersten Kreuzung versuchte ich den Bürgersteig zu erreichen, ohne Erfolg. Beim Übergang von der Straße auf dem Bürgersteig blieb ich unweigerlich stecken. Nur durch Zufall, denn dieser Bürgersteig ist normalerweise Menschenleer, kam eine Frau vorbei. Sie setzte ihre ganze Kraft ein und schaffte es tatsächlich mich von der Straße auf den Bürgersteig zu schieben.

Mein Ehemann saß zu Hause schweißgebadet und erwartete meinen Anruf, ob ich es bis zur Stadt geschafft habe. Als ich dann erst einmal diesen schweren Abschnitt meines Weges geschafft hatte, habe ich ihn per Handy angerufen. Die Fahrt zum Arzt ca. 1 ½ Km verlief etwas besser. Die Rückfahrt war nicht ganz so anstrengend.

Seit dem 13.01.2011 fahre ich nun alleine zum Einkaufen. In den großen Kaufhallen habe ich ja den Vorteil, dass ich gleich mit dem Rollstuhl rein fahren kann. Mein Mann darf immer noch nicht den gebrochenen Fuß belasten.

Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, mich durchzusetzen. An das Leben im Rollstuhl musste ich mich ja auch gewöhnen. Den Rollstuhl erhielt ich Im Sommer 2009. Seit dem ist das Leben für mich viel einfacher geworden.

Ich kann nur jeden raten, für seine Rechte zu kämpfen. Wenn man sich auf die Behörden verlässt, dann ist man verlassen.

Mit meinen Artikeln die ich schreibe, möchte ich Aufmerksamkeit erreichen, damit die Bürger nicht den Mut verlieren und weiter kämpfen.

Viele Grüße

Birgit