Der Kampf der Tamilen in Sri Lanka

Der Kampf der tamilischen Bevölkerung um ein unabhängiges Gebiet im Nordosten des Inselstaates Sri Lanka dauert bereits über fünfundzwanzig Jahre an. Seit Anfang 2008 führt das srilankische Militär wieder eine Offensive in dem hauptsächlich von Tamilen bewohnten Norden und Nordosten der Insel. Dieser Krieg kostete tausende tamilische Zivilisten das Leben und zwang unzählige zur Flucht. Die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE; Befreiungstiger der Tamilischen Gebiete), die an der Spitze der Unabhängigskeitsbewegung stehen und zeitweise Gebiete im Nordosten kontrollierten, wurden bis in ein küstennahes Dschungelgebiet zurückgedrängt. Obwohl die katastrophale Lage für die Zivilbevölkerung von internationalen Hilfsorganisationen angeprangert wird, ist in bürgerlichen Medien im Westen kaum etwas von dem Krieg gegen die Tamilen zu lesen.

Entwicklung des Konflikts zwischen Tamilen und Singhalesen
Im 16. und 17. Jahrhundert wurde Sri Lanka durch Portugal und später die Niederlande teilweise in Besitz genommen. Zu dieser Zeit existierten sowohl tamilische als auch singhalesische Königreiche. Erst unter britischer Herrschaft, die Ende des 18. Jahrhunderts begann, konnte 1818 die gesamte Insel unterworfen werden. Sri Lanka (damals: Ceylon) entwickelte sich zum zweitgrößten Teeproduzenten der Welt. Die erste Befreiungsbewegung der Bevölkerung Sri Lankas gegen die britische Besatzung während des ersten Weltkriegs scheiterte an inneren Konflikten zwischen Tamilen und Singhalesen. In der Zeit der britischen Herrschaft sind auch die Ursprünge dieses ethnischen Konflikts zu suchen. Die Kolonialmacht setzte gezielt tamilische Menschen im Verwaltungsapparat ein, weil diese häufig besser gebildet waren als die singhalesische Mehrheit und lesen und schreiben konnten. Die Tamilen bilden als größte Minderheit ca. 17% der sri-lankischen Bevölkerung, die Singhalesen 74%. So betrieben die Besatzer eine Politik des Teilens und Herrschens und schürten Vorurteile und eine feindliche Stimmung der Singhalesen gegen die, mit dem Kolonialsystem identifizierten, Tamilen. Ceylon erhielt am 4. Februar 1948 seine Unabhängigkeit von Großbritannien, blieb aber Teil des Commonwealth. 1972 wurde die Republik Sri Lanka gegründet. Nachdem Ceylon seine Unabhängigkeit erhielt, initiierte die mehrheitlich singhalesische Regierung die Sinhala-Only-Kampagne. Durch die Kampagne wurde Sinhala zur alleinigen Amtssprache und der Schutz und die Pflege des Buddhismus im Gesetz verankert. Tamil und Englisch durften nicht mehr gesprochen werden. Tamilen wurde per Gesetz verboten, höhere Posten in der Verwaltung, Politik, beim Militär oder der Polizei zu bekleiden. Ungerechte Quoten für Universitäten sorgten dafür, dass junge Tamilen mehrheitlich nicht mehr zum Studium zugelassen wurden. Studentisch geprägte Aufstände wurden von der Regierung als Vorwand für Pogrome gegen Tamilen genutzt.


Unabhängigkeitsbewegungen der Tamilen
Die Sinhala-Only-Politik führte seit den sechziger Jahren zu Protesten der Tamilen. Anfang der siebziger Jahre radikalisierte sich der Widerstand, es kam zu bewaffneten Aufständen und zur Gründung der Tamil United Liberation Front (TULF), die einen eigenständigen tamilischen Staat forderte. Neben politischen Organisationen wie der TULF gründeten sich militärische Gruppen, so genannte Tamil Tigers, die sich teilweise auch gegenseitig bekämpften. Durch einen Zusammenschluss von mehreren dieser Widerstandsgruppen gründete sich 1976 die LTTE. Die LTTE schaffte es bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs im Juli 1983, die Führung der Tamilischen Unabhängigkeitsbewegung zu übernehmen. Als politische Partei stellen sich die vier tamilischen Parteien, die die Unabhängigkeit von Tamil Eelam fordern, als Tamil Alliance in den tamilischen Gebieten zur Wahl. Die LTTE übt erheblichen Einfluss auf die Tamil Alliance aus. Kritik erntet die LTTE häufig aufgrund ihrer Selbstmordanschläge, während des gesamten Bürgerkriegs sollen es ca. 180 gewesen sein, und der Praxis der Gelderpressung von Tamilen im Ausland. Das Besondere, was von bürgerlichen Medien gerne weggelassen wird, ist jedoch, dass sich die Anschläge ausschließlich gegen militärische Ziele oder Ziele der Regierung richten. Die LTTE soll hier nicht verherrlicht werden. Es ist äußerst schwierig, die Lage Sri Lankas sowie der LTTE abschließend zu beurteilen, das kann dieser Artikel auch gar nicht leisten. Es geht aber darum, dass der Kampf des tamilischen Volkes um Unabhängigkeit in einem eigenen Gebiet legitim ist. Wir müssen uns dagegen wehren, dass jeder Widerstand um nationale Selbstbestimmung sofort als Terrorismus abgetan wird und sich deshalb niemand mehr mit der Problematik beschäftigt.

Bürgerkrieg
Der Beginn des Bürgerkriegs zwischen der LTTE und der Armee Sri Lankas wird im Juli 1983 gesetzt. Die Regierung antwortete den Rebellen nach der Tötung von dreizehn Soldaten durch die LTTE mit Pogromen bei denen zwischen 1.000 und 5.000 Tamilen starben. Die trotz der Übergriffe erstarkende LTTE konnte im weiteren Verlauf des Krieges die Jaffna-Halbinsel, sowie Gebiete im Norden und Nordosten einnehmen, sodass sie bis 1986 die mehrheitlich von Tamilen bewohnten Gebiete kontrollierten. Im Dezember 1995 wurde die Jaffna-Halbinsel, die neben dem politischen Zentrum der LTTE auch das Zentrum der tamilischen Kultur war, zurückerobert. Im November 1999 konnte ein Angriff der Armee durch Truppen der Tamil Tigers im Norden der befreiten Gebiete abgewehrt werden. Verhandlungen zwischen der singhalesischen und der tamilischen Regierung unter Beobachtung Norwegens endeten im Februar 2002 mit einem unbefristeten Waffenstillstand.
Die folgenden Friedensverhandlungen scheiterten Ende 2006 an der strikten Ablehnung der Regierung gegenüber der Anerkennung einer unabhängigen tamilischen Regierung. Der Bürgerkrieg wurde wieder aufgenommen, nachdem die Armee im Januar 2007 eine militärische Offensive gegen die LTTE startete. Offiziell wurde der Waffenstillstand allerdings erst im Januar 2008 gekündigt. Seitdem dauert eine militärische Offensive der Regierungstruppen an, die vor dem Jahreswechsel etwas abgenommen hat, aber nun weiter die tamilische Bevölkerung sowie die LTTE bedroht.

Aktuelle Situation
Der Krieg flammte am 2. Januar 2009 wieder in seiner ganzen Intensität auf, als Regierungstruppen die inoffizielle Hauptstadt der tamilischen Gebiete Kilinochchi einnahmen. Innerhalb der letzten beiden Monate forderte der durch die Regierung geführte Krieg das Leben von mehr als 800 unschuldigen Menschen. Außerdem wurden 3.500 Tamilen lebensbedrohlich verletzt.
Die Bevölkerung des Kriegsgebietes wurde in der Region Vanni in ein Areal von wenigen Quadratkilometern zusammengetrieben, das von den tamilischen Rebellen der LTTE verteidigt wird. Etwa 300.000 Flüchtlinge drängen sich in dem etwa 200 km² großen Gebiet, das bis heute von Artillerie und Kampfjets bombardiert wird. Selbst Krankenhäuser erklärte der sri-lankische Verteidigungssekretär Gotabaya Rajapakse öffentlich zu legitimen Zielen der Armee. Bei dem Beschuss eines Krankenhauses im LTTE-Gebiet kamen nach Angaben des Roten Kreuzes mindestens neun Menschen ums Leben. In dem Krankenhaus befanden sich über 800 Zivilisten.
Trotz weltweiter Proteste gegen den Krieg gegen die Tamilen im Norden Sri Lankas geht der Krieg dort weiter. Am 4. Februar, einen Tag nach den Feierlichkeiten zum 61. Jahrestag der Unabhängigkeit Sri Lankas, hat die Regierung in Colombo den Appell der USA, der EU, Japans und Norwegens, eine »temporäre Nichtfeuer-Periode« für das Kriegsgebiet auszurufen, abgelehnt. Die Gefechte im belagerten Gebiet dauern bis heute an.

SoL – Sozialistiasche Linke Hamburg

Der Artikel stammt aus RatSchlag Nr. 11


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