Der Mann, der Hitler in die Enge trieb

Vor 106 Jahren, am 19. Juni 1903, wurde in Halle der spätere Strafverteidiger, Anwalt des Proletariats und Antifaschist Hans Achim Litten geboren.

Der Genosse Hans Litten kam in einem bürgerlichen Elternhaus zur Welt. Der dominante Vater, Friedrich Litten, erzkonservativ und Gegner der Republik, war Jurist und Ordinarius für römisches und bürgerliches Recht, zeitweilig Dekan der Juristischen Fakultät und Rektor der Universität Königsberg, Geheimer Justizrat und Berater der preußischen Regierung. Das Verhältnis Littens zum Vater war konfliktbeladen. Dessen Abwendung vom Judentum (Taufe) betrachtete er als opportunistischen Akt. Litten selbst war auch christlich getauft, hatte aber schon in der Schule hebräisch gelernt und sich im Abitur in dem Fach prüfen lassen. Sein Interesse für das Judentum war am Anfang eine Reaktion auf seinen Vater, führte jedoch dazu, dass er, der zum Mystizismus neigte, Jude sein wollte. Seine politische Prägung erhielt Hans Litten wohl vorrangig von der einer schwäbischen Pastoren- und Professorenfamilie entstammenden Mutter, Irmgard Litten, geborene Wüst, die humanistischen Ideen und der Kunst gegenüber aufgeschlossen war. Aufgrund ihres Einflusses entwickelte er auch ein starkes Gerechtigkeitsgefühl gegenüber Bedrohten, Verfolgten und Entrechteten. In seiner Jugend in Königsberg wandte sich Litten zusammen mit seinem Jugendfreund Max Fürst einer deutsch-jüdischen Jugendgruppe mit sozialrevolutionären Ideen („Schwarzer Haufen“) zu, die der Wandervogelbewegung zugerechnet werden kann und dem zionistischen „Wanderbund“ angehörte. Schon früh suchte Hans Litten die politische Auseinandersetzung. Wichtige politisch-gesellschaftliche Ereignisse, die ihn prägten, waren unter anderem die Antikriegsdemonstration vom 1. Mai 1916 in Berlin, die Verhaftung und Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs sowie die revolutionären Ereignisse von 1918. Aus seiner Schulzeit gibt es die Anekdote, dass er auf die Frage, ob man das Bild Paul von Hindenburgs, des „Siegers der Schlacht von Tannenberg“ in der Klasse aufhängen solle, trocken meinte, er sei schon immer dafür gewesen, ihn aufzuhängen.

Bereits einer seiner ersten Prozesse sollte Aufsehen erregen und zeichnete den weiteren Lebensweg von Hans Litten als „Arbeiter-Anwalt“ vor. Er vertrat Arbeiter, die im März 1921 wegen organisierten Widerstandes gegen den vom preußischen Innenminister Carl Severing (SPD) befohlenen Polizeieinmarsch in die mitteldeutschen Industrieorte zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt worden waren. Bei einigen gelang ihm eine Anerkennung als politische Täter, die damit unter das Amnestiegesetz vom August 1920 fielen, zu bewirken.

Nach Abschluss seines Jurastudiums 1928 lehnte Litten die Angebote renommierter Kanzleien ab, um im Namen der proletarischen Selbsthilfeorganisation Rote Hilfe die Verteidigung politisch verfolgter Arbeiter zu übernehmen. Bekannt wurde Litten als „Mann, der Hitler in die Enge trieb“, weil es ihm 1931 gelang, den Naziführer, zum Prozess um einen SA-Überfall auf den Berliner Tanzpalast Eden, als Zeugen vorzuladen. Im Verhör wies Litten nach, dass der SA-Terror trotz aller Legalitätsschwüre einer planmäßigen Taktik Hitlers zur Destabilisierung des Weimarer Staates entsprang. Nach Morddrohungen in der faschistischen Presse stellte die Rote Hilfe Litten Arbeiter als Leibwächter zur Verfügung. Als ihm Genossen nach der faschistischen Machtübernahme zur Flucht rieten, erklärte Litten: „Die Millionen Arbeiter können nicht heraus, also muss ich auch hier bleiben.“ Doch Hitler hatte den Mann, der ihn einst vor Gericht bloßstellte, nicht vergessen. Am Tag nach dem Reichstagsbrand wurde er sofort in Schutzhaft genommen. Es folgte ein fünfjähriges Martyrium in verschiedenen Zuchthäusern und Konzentrationslagern, bis der Genosse Litten in der Nacht zum 5. Februar 1938 im KZ Dachau von den SS-Schergen in den Selbstmord getrieben wurde. Eine in Berlin-Mitte nach Hans Litten benannte Straße, an der das Berliner Kammergericht liegt, trägt auch heute noch den Namen des mutigen Juristen, der sich als revolutionärer Marxist und „links von der KPD stehend“, bezeichnete.

Quelle: Hans Litten Archiv e.V.            


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