Wahlbetrug!

Die Bundestagswahl 2013 verlief für die fortschrittlichen Kräfte in unserem Land enttäuschend.

– Zum einen haben Merkel und die CDU/CSU trotz ihrer reaktionären Umverteilungspolitik zu Gunsten des Kapitals ein gutes Wahlergebnis erzielt.

– Zum anderen ergibt sich, wenn man alle abgegebenen Wählerstimmen zählt, auch die 16%, die durch die undemokratische 5%-Klausel wegfallen, insgesamt eine reaktionäre Mehrheit in der Bevölkerung für offene Parteien des Kapitals bis hin zu den Faschisten.

– Zum dritten ergab die Wahl im Parlament eine knappe Mehrheit gegen Merkel und die CDU/CSU, die jedoch nicht genutzt wird, weil weder die SPD noch die Grünen diese nutzen wollen, denn das Kapital ist dagegen.

Woran liegt das?

Merkel und die CDU/CSU haben einen starken Zuwachs an Stimmen erhalten, weil sie den Menschen eingeredet haben, alles liefe gut, und weil sie ihnen auf „nette“ Weise gedroht haben: Euch geht es noch gut, besser als den Griechen! Seid froh! Und das kam an. Selbst in beträchtlichen Teilen der Arbeiterklasse haben viele Kolleg/innen Angst vor der Krise, und sie sind froh, dass es ihnen relativ besser geht als in anderen Ländern Europas. Die Medien, in der Hand der herrschenden Klasse, haben immer wieder genüsslich die hohen Prozentzahlen bei der Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, Portugal, Griechenland usw. gemeldet und klar gemacht: Dagegen ist Deutschland eine Insel der Seeligen. Sie haben breit über die Entlassungen, die sinkenden Löhne, den Zwangsauszug von Menschen aus ihren Wohnungen und Häusern in ganz Europa berichtet und ebenfalls klar gemacht: Dagegen ist Deutschland das Paradies.

Diese nationalistische Ideologie, Deutschland ist stark, die anderen sind schwach, hat Resonanz gefunden. Tatsächlich profitieren selbst Teile der Facharbeiterschaft von der Stärke des deutschen Imperialismus. Zwar ist das alles eine wacklige Angelegenheit, und die Menschen wissen auch, dass das in einer tiefen, katastrophalen Krise enden kann, doch solange es gut geht, ist man eben froh.

Aber natürlich gibt es auch breite fortschrittliche Strömungen. Der Hass auf die Bankenrettungspakete, wegen der vielen Milliarden, die an die Banken geflossen sind, ist groß. Die Unzufriedenheit ist stark. Empört sind die Menschen über den Überwachungs- und Polizeistaat. Empört sind sie über die sinkenden Renten, die miserable Gesundheitsversorgung, das katastrophale Bildungswesen usw. Hier konnte die SPD mit ihrer sozialen Demagogie Stimmen fangen. Doch wenn auch die SPD in der Opposition für so etwas eintritt, so hat sie in der Regierung für Niedriglöhne, Sozialabbau usw. gesorgt. In den Stimmen für die SPD, für die Grünen und für die Linkspartei drückt sich von Seiten der Wähler der Wunsch nach Veränderung aus. So wollen z.B. viele Menschen, dass die Steuern für die Reichen angehoben werden und diese wenigstens einen Teil der von ihnen verursachten Krise zahlen. Die Menschen wollen die verhassten Niedriglohnjobs weg haben. Sie wollen Wohnungen, Bildung und ein vernünftiges Bildungssystem.

Doch dieser Wunsch nach Veränderung wurde schon im Wahlkampf betrogen. Offensichtlich hat der Kandidat der SPD, Steinbrück, nie um einen Sieg gekämpft. Im Gegenteil! Mit seinen verheimlichten hohen Einnahmen aus Vorträgen bei der Industrie und den Banken, mit seinem arroganten Gemaule, als Kanzler verdiene man zu wenig, hat er alles getan, damit die SPD nicht an die Spitze kommt. Er hat von Anfang an auf eine große Koalition mit der CDU/CSU gesetzt.

Schon jetzt zerreißt es die SPD innerlich. Die vielen Parteimitglieder, die im Wahlkampf aktiv für einen Wechsel kämpften, sehen sich von ihren Parteiführern Gabriel, Steinmeier und Steinbrück massiv getäuscht. Sie hassen die Aussicht auf die große Koalition mit Merkel, in die sie Sigmar Gabriel hineinbugsieren will. Der sieht sich bereits als Vizekanzler, große Massen seiner Partei aber fordern, eine Koalition aus der linken Mehrheit im Bundestag zu schmieden. Sie kämpften – freilich voller Illusionen – für den Wechsel zu einer sozialeren Politik und wollen ihn ernsthaft – welch ein Illusion im Kapitalismus und in der SPD! Aber diese Widersprüche werden die SPD an den Rand des Untergangs führen, wie zuvor schon die FDP.

Erbärmlich ist auch das Verhalten der Linken, die sich nach starken Verlusten der SPD und den Grünen wie sauer Bier anbieten, obwohl sie wissen, dass diese lieber eine Regierung im Interesse des Kapitals anpeilen. Statt deutlich zu sehen, dass die Stimmenverluste genau in dieser weich gespülten Anpassungspolitik begründet sind, verbiegt man sich noch weiter. Eine Partei ohne Rückgrat!

Die Grünen haben kräftig verloren. Es ist zu Ende mit ihrem arroganten Höhenflug. Da, wo sie regieren oder gar die Regierungsführung haben wie in Baden-Württemberg haben sie sehr schnell ihre Anziehungskraft verloren. Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann hat so ziemlich alle seine Wahlversprechen gebrochen: Statt Verbesserung der Bildungssituation werden zahlreiche Lehrerstellen abgebaut. Statt Stopp für Stuttgart 21 wird weitergebaut und den Banken, den Baukonzernen und den Immobilienspekulanten Milliarden Steuergelder in den Rachen geworfen. Es ist dreist, wie ungeniert dieser Kretschmann die Schuld für die Niederlage der Grünen denen in die Schuhe schiebt, die wenigstens noch für halbwegs fortschrittliche Positionen wie gesetzlichen Mindestlohn, Steuererhöhungen für die Reichen, eine gewisse Zügelung der Energiemonopole usw. eintreten. Kretschmann posaunt heraus, man habe die Unternehmer damit verprellt, und er strebt eine Koalition mit der CDU/CSU an. Pech für diesen „wendigen“ Politiker ist nur, dass die SPD ihm und seiner „Flexibilität“ zuvor kam und bereits mit der CDU/CSU verhandelt.

Wirklich erfreulich an dem Wahlergebnis ist, dass die offene Unternehmerpartei FDP eine krachende Niederlage erlitten hat und dem Untergang entgegengeht. Die Grünen sind bereit, ihre Rolle mit einem fortschrittlichen Anstrich zu übernehmen. Offensichtlich braucht niemand mehr die FDP so recht, selbst das Kapital nicht.

Erfreulich ist auch, dass die rechte „Alternative für Deutschland“ nicht so hoch kam, wie sie sich und auch Teile des Kapitals erhofften. Allerdings zeigt der relative Erfolg dieser Partei mit 4,8% wie viele Menschen mit dem Euro unzufrieden sind.

Die Wahl war auch insofern Betrug, weil rund 16% der abgegebenen Stimmen unter den Tisch fielen. Das deutsche Wahlsystem mit seiner 5%-Hürde ist klar undemokratisch. Diese Hürde wurde vor allem geschaffen, um Kommunisten und fortschrittlichen Bewegungen den Einzug in ein Parlament zu verwehren. Da viele Menschen befürchten, ihre Stimmen gingen verloren, wählen sie lieber das „kleinere Übel“. Um überhaupt bundesweit zur Wahl antreten zu können, benötigt man mehrere zehntausend Unterschriften, die die Wahlzulassung unterstützen. Um dann auf eine entsprechende Prozentzahl an Wählerstimmen zu kommen, benötigt man wiederum große materielle Mittel. Während die bürgerlichen Parteien, aber auch rechte wie die AfD oder offen faschistische wie die NPD vom Kapital finanziert werden und dann noch Millionen Steuergelder erhalten, ist klar, dass fortschrittliche, revolutionäre und kommunistische Wahllisten dies alles aus eigener Kraft schaffen müssen.

Doch dazu fehlt derzeit die Kraft, da die Revolutionäre und Kommunisten zersplittert sind und so im Wahlkampf nur eine marginale Rolle spielen. Und so lange sie so weiter machen, werden sie auch in Zukunft keine Rolle spielen. Erfreulich war jedoch, dass es zum ersten Mal gelang, dass 5 revolutionäre, kommunistische Organisationen gemeinsam „Wahlprüfsteine“ entwickelten und diese in weiten Teilen Deutschlands gemeinsam verteilten. Das ist ein kleiner, aber im gegenwärtigen Zustand bedeutender Schritt zu einer gemeinsamen Zielsetzung, zu einer Vertiefung der begonnenen Zusammenarbeit und eine inhaltliche Plattform für weitere gemeinsame Schritte. Diese konkrete Einigkeit – zunächst in einzelnen Punkten des Tageskampfes – kann und muss ausgebaut werden. Dann werden wir aus der Statistenrolle, die wir diesmal noch weitgehend hatten, herauskommen.

Denn auch wenn das Wahlergebnis nicht erfreulich ist, wird es den fortschrittlichen, revolutionären und kommunistischen Kräften für die Zukunft neuen Spielraum für ihre Arbeit eröffnen. Kaum ist die Wahl vorüber, werden die Wahlversprechen bereits gebrochen. Die Krise des kapitalistischen Systems wird weitergehen und sich verschärfen. Die Unzufriedenheit und die Wut werden wachsen und durch die Enttäuschung über den Wahlbetrug stärker werden. Hier ist unser Platz bei der Arbeiterklasse und dem Volk. Diesen Spielraum für eine fortschrittliche, revolutionäre Politik müssen wir erkennen und nutzen, um den Kampf der Arbeiter/innen und aller fortschrittlichen Kräfte im Volk für ihre Interessen und ihre Forderungen zu unterstützen. Die erarbeiteten „Wahlprüfsteine“ sind dabei bereits ein kleines, gemeinsames Programm, das zwar an vielen Stellen ergänzt werden muss, aber schon jetzt eine Orientierung bietet.

dm