„Naturvölker“ – keine biologische Vorstufe, sondern eine ökonomische Stufe des Homo sapiens

Soldaten sammeln Totenschädel für die "Wissenschaft"

Soldaten sammeln Totenschädel für die „Wissenschaft“


Als junger Mann machte Charles Darwin mit dem Forschungsschiff „Beagle“ eine fünfjährige wissenschaftliche Weltreise. Er kam im Rahmen dieser Reise auch nach Australien und traf auf die sogenannten „Aborigines“, die dort seit etwa 40.000 Jahren leben. Er notierte in seinem Tagebuch sinngemäß, es seien die ursprünglichsten Menschen, die er auf der bisherigen Reise getroffen habe, und gab ihnen keine Überlebenschance.

Diese Notiz (!) Darwins wird immer wieder angeführt als angeblich wissenschaftlicher Beweis dafür, dass Darwin mit den Grundstein gelegt habe für die rassistische Behandlung von „Naturvölkern“ durch die Kolonialherren der feudalistischen und kapitalistischen Epochen; damit wird zumindest indirekt zugegeben, dass diese beiden Gesellschaftssysteme nicht der Natur des Menschen entsprechen. Außerdem wird dabei übersehen, dass im Jahre 1836, als diese Tagebuchnotiz geschrieben wurde, sie keine wissenschaftliche Feststellung war, sondern nur ein persönlicher Eindruck eines jungen Mannes, der noch nicht „der“ Charles Darwin war.

Die Begegnung mit den aus Europa kommenden Eroberern war für die meisten Bewohner der anderen Kontinente eine Katastrophe, die noch heute nachwirkt. Für gewöhnlich wurden die unbekannten Fremden freundlich aufgenommen, was für viele der einheimischen Völker den Untergang bedeutete. Wir nennen nur einige Beispiele:

Die Bevölkerung von Kuba zählte bis zur Ankunft der europäischen Eroberer etwa 300.000 Menschen – von ihnen hat niemand überlebt, nicht einmal als Mischling. Alle Ureinwohner starben entweder an eingeschleppten Krankheiten oder wurden umgebracht; ähnlich ging es den Bewohnern anderer Karibikinseln. Das Schicksal der Ureinwohner Nordamerikas ist bekannt: auch sie wurden abgeschlachtet, ihr für die Landwirtschaft und Rinderzucht benötigtes Land wurde durch gezielt verbreitete Seuchen „frei“ gemacht, die Kultur der Überlebenden zerstört, sie selbst in Reservate gepfercht…

Die Bevölkerung Tasmaniens – nach heutigem Wissensstand etwa 5000 Menschen – wurde ebenfalls vollständig ausgerottet durch eingeschleppte Krankheiten, durch Verschleppung in Konzentrationslager auf dem australischen Festland mit einem anderen Klima, durch Kopfgeldjäger, von denen sich einer z.B. so seinen Landsitz in England im wahrsten Sinne des Wortes erschoss…

Die Unterlegenheit der „Naturvölker“ wurde pseudowissenschaftlich durch ihre angebliche, natürliche Rückständigkeit „bewiesen“, wozu dann u.a. auch die oben wiedergegebene kurze Tagebuchnotiz von Darwin herhalten muss. Dabei braucht man dieser Notiz nur das kleine Wörtchen „so“ anzufügen, und schon wäre Darwins Notiz wissenschaftlich korrekt: so haben diese Menschen keine Überlebenschancen! Es liegt nicht an ihrer angeblichen biologischen Unterlegenheit im von den Sozialdarwinisten behaupteten „Kampf (der Rassen) ums Dasein“ mit dem „Überleben des Stärkeren bzw. Fähigsten“, sondern es liegt an der Produktionsweise: die Reproduktion der für das tägliche Leben benötigten Güter erfolgte und erfolgt bei den „Naturvölkern“ auf dem Stadium der Jäger und Sammler, und diese Produktionsweise ist der gesellschaftlichen Produktionsweise mit Arbeitsteilung in jedem Produktionsprozess (typisch für den Kapitalismus und Sozialismus/Kommunismus) unterlegen und hat, wie die Geschichte zeigt, auf Dauer keinen Bestand. Ein drohender Untergang der „Naturvölker“ ist also nicht durch ihre „Natur“ bedingt, sondern durch ihre Ökonomie. Das zeigt auch den einzig möglichen Weg auf, diese „Wilden“ vor dem Aussterben zu bewahren: die (Re)Produktionsweise der Jäger und Sammler muss ersetzt werden durch gesellschaftliche Produktion mit Arbeitsteilung. Es gibt erfreulicherweise nicht wenige Beispiele dafür, dass – bei richtiger und geduldiger Umstrukturierung – die angeblich von Natur aus primitiven „Wilden“ durchaus in der Lage sind, dieselben kulturellen und produktiven Leistungen zu erbringen wie die angeblich von Natur aus überlegenen „Weißen“.

Einer solchen Entwicklung zuwider verlaufen aber Versuche, die ursprüngliche Kultur der „Naturvölker“ in Reservaten zu erhalten. Angeblich dienen solche Versuche dazu, diese so lebenden Völker vor dem Aussterben zu bewahren. In Wirklichkeit hindert man sie dadurch daran, ihr Überleben durch gesellschaftliche Höherentwicklung zu erreichen – es ist also ein Langzeit-Völkermord statt eines sofortigen Abschusses – wie human!

Uns ist klar, dass viele Menschen der sog. zivilisierten Länder mit ehrlicher Überzeugung solche Projekte ideell und materiell unterstützen, nur halten wir dies für einen falschen Weg. Eine Umerziehung hat es ja auch in Europa gegeben; viele von uns können sich heute gar nicht mehr vorstellen, welche im wahrsten Sinne des Wortes mittelalterlichen Vorstellungen und Praktiken es noch vor etwa 200 Jahren in Europa gab; mit dem bis heute Erreichten sind wir natürlich nicht zufrieden, schließlich ist der Kapitalismus das opferreichste Gesellschaftssystem in der Geschichte der Menschheit. Doch die Weiterentwicklung in Europa erfolgte nicht von heute auf morgen und sie erfolgte auch nicht friedlich.

Der Übergang vom Jäger und Sammler zum arbeitsteilig produzierenden Menschen kann jedoch durchaus friedlich erfolgen, man muss den Menschen nur eine Chance geben. Dabei zeigen entsprechende Projekte, dass naturgemäß junge Menschen einer gesellschaftlichen Veränderung aufgeschlossener gegenüber stehen als ältere Menschen; die Umstrukturierung muss also behutsam erfolgen, ohne einen Generationenkonflikt heraufzubeschwören oder zu verschärfen. Er muss dem Willen der Betroffenen entsprechen und darf ihnen nicht aufgezwungen werden. Reservate wie die für die Himbas in Namibia, für die „Naturvölker“ auf den Maskarenen und Nikobaren, für „Aborigines-Stämme“ in Australien, die diese Völker angeblich vor ihrem Aussterben schützen sollen, sind nur die Garantie für ihren langsamen Untergang…

Wir haben diesen Artikel mit einer persönlichen Notiz von Darwin begonnen, die von „interessierten Kreisen“ missbraucht wurde und wird. Wir möchten fortfahren mit Bemerkungen über einige weltbekannte Naturwissenschaftler und Mediziner, die ihre Verhaltensweisen „wissenschaftlich“ rechtfertigten – von ihnen gibt es leider viel mehr..

Dabei kommen wir noch einmal auf Tasmanien zurück. Zur Ausrottung der dort lebenden Menschen trug auch der „Neandertaler“ bei, und das, obwohl er schon vor zigtausend Jahren ausgestorben ist. Das mag erstaunlich klingen, aber sein Fund im 19. Jahrhundert führte zu der Auffassung, dass die Tasmanier die „letzten noch lebenden Neandertaler“ seien, und in „gebildeten“ Kreisen kam die Mode auf, einen „Neandertaler-Schädel“ z.B. als Briefbeschwerer zu benutzen, und den konnte man am leichtesten aus Tasmanien bekommen…

Doch unabhängig von diesem Fund gab es in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine große Nachfrage von zahlreichen Universitäten und Instituten nach menschlichen Gebeinen und Schädeln. Das Hamburger Naturkundemuseum Godeffroy zum Beispiel beauftragte von 1863 bis 1873 die noch heute als bedeutende Biologin und Forscherin angesehene Amalie Dietrich mit dem Sammeln biologischer Belege in Australien und schrieb in einem Brief vom 20.1.1865 unter anderem: „…und möchten wir Sie nochmals bitten, möglichst Skelettteile und Schädel von den Eingeborenen zu senden.“ Es lässt sich nicht genau aufzeigen, wie Amalie Dietrich an die tatsächlich gesendeten Skelettteile gekommen ist; es gibt Hinweise darauf, dass sie zumindest Mordaufträge erteilen wollte, in einem Dokumentarfilm des ZDF heißt es dazu: „Sie machte mehrere vergebliche Versuche, einheimische Siedler zur Ermordung von Aborigines zu überreden“. Sicher ist, dass sie, um ihren Auftrag zu erfüllen, heilige Grabstätten heimlich plünderte.

Einige Schädel aus ihrer Sendung wurden vorübergehend nach Berlin an den berühmten Robert Virchow gesendet, der mit den Worten zitiert wird: „Die Anthropologie ist wie eine Art Jagd zu betrachten.“ Virchow glaubte damals nicht als einziger, man könne Aussagen über die Intelligenz eines Menschen aufgrund von Schädelvermessungen machen. „Naturvölker“ standen seiner Überzeugung nach auf der Leiter des Fortschritts weit unten. Nach Auffassung des Anatomen und Anthropologen Eugen Fischer waren die „Naturvölker“ nur eine Vorstufe der höher entwickelten „weißen Rasse“. Um dies zu belegen, bestellte er im wahrsten Sinne des Wortes Schädel und Gebeine – die Gelegenheit war gerade günstig, die Nama und Herero in Deutsch-Südwest-Afrika (heute Namibia) waren in den Aufstand getreten und die deutschen „Schutztruppler“ sorgten dafür, dass Fischer zahlreiches Forschungsmaterial nach Freiburg geliefert bekam.

Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie Naturwissenschaftler, die heute noch hoch in Ehren stehen, den Rassisten und Faschisten Munition lieferten – Darwin jedoch, dem so etwas oft vorgeworfen wird, können wir hiervon freisprechen. Er hat sich – im Konflikt zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und menschlichem Gefühl – eindeutig für das Gefühl entschieden und die Sympathie (Mitleid, altgriech.: sym- = mit; pathos = Gefühl, Leid) mit Schwächeren, Hilflosen als „den edelsten Teil unserer Natur“ bezeichnet.

Rassisten und Faschisten sortieren jedoch nicht nur andersfarbige, nichtweiße „Rassen“ auf eine untere Stufe der Evolutionsleiter ein, sondern sie tun das auch innerhalb der „weißen Rasse“, wie die Eugenik und Euthanasie belegen. Hierauf werden wir in mindestens einem weiteren Artikel noch eingehen.