Kampf gegen Stuttgart 21 geht weiter!

Niels Clasen

Redebeitrag auf der Abschlusskundgebung der 10. Laufdemonstration gegen Stuttgart 21 (S 21), 12. Juli 2014 vor dem Gewerkschaftshaus Stuttgart, Gustav-Heinemann-Platz.

 

Liebe aktive Gegner von Stuttgart 21, Kolleginnen und Kollegen, liebe Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger, die hier vorbeikommen.

 

Um einen direkten Eindruck nach dieser Demo loszuwerden: Wenn ich an einige der schimpfenden Autofahrer denke, die wegen unserem Demozug etwas warten mussten. Liebe Autofahrer: Wenn in Stuttgart erst mal das richtige S-21-Baustellenchaos losgehen sollte – Ihr werdet Euch nach unseren Demos noch zurücksehnen!

 

Ich bin Niels Clasen, ich bin zusammen mit zahlreichen anderen Kollegen ein Gewerkschafter gegen Stuttgart 21. Ich bin Mitglied der IG Metall, aktiv im Betrieb, Mitglied im Betriebsrat bei ROTO in Leinfelden.

 

Und wenn ich jetzt das Motto von vorhin aufnehme, will ich einmal den Blick über den Tellerrand richten, in andere Bereiche:

Denn zusätzlich bin ich auch bewusster und ständiger Kunde dieser Bahn und verfolge den hinter einem dröhnenden Werbe- und Propagandalärm in den Medien sich vollziehenden Niedergang. Rollender Schrott unterwegs, Saunatemperaturen im ICE, weil in den Wagen die Klimaanlage nicht funktioniert – gerade letzte Woche im ICE nach Berlin selbst erlebt. Für die, die in diesen Wagen arbeiten müssen, Stress pur! Miserable Arbeitsbedingungen für meine, für unsere Kolleginnen und Kollegen, die in den Zügen arbeiten, die oft den Frust der Fahrgäste aushalten müssen – und das zu miserablen Löhnen. Hier hilft nur, sich zu wehren und sich dazu zu organisieren – gewerkschaftlich

Ich erinnere daran: Das Projekt der so genannten „Tarifeinheit“ wird von Merkel, Gabriel, Andrea Nahles, von Schwarz-Rot, von den Vertretern des Kapitals vorangetrieben! Und – obwohl Tarifeinheit vordergründig doch nett klingen soll – es wird von der Gewerkschaftsbasis abgelehnt. Inzwischen geht sogar der DGB auf Distanz! Bei der Deutschen Bahn wäre von der „Tarifeinheit“ die bekannt kämpferische Truppe der GDL als erste betroffen. Denn wenn die angeblich stärkste Gewerkschaft bei der Bahn, die Verkehrsgewerkschaft im DGB, einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, haben sich kleinere Gewerkschaften, bei der Bahn die GDL, diesem zu beugen und haben dann – ja, Ihr hört richtig! – Streikverbot!!

  • Streikverbot im angeblich so demokratischen Deutschland.

  • Streikverbot in diesem Moloch Bahn für diejenigen, die wichtige Rechte der Beschäftigten erstritten haben.

Da müssen kämpferische Gewerkschafter opponieren und gegen dieses Regierungsprojekt ankämpfen.

 

Empört über die abstoßende Jubel-Show beim Start der Tunnelbohrarbeiten für den Fildertunnel am Fasanenhof am letzten Donnerstag habe ich diese Einladung wahrgenommen, um als Gewerkschaftsmitglied gegen Stuttgart 21 hier einige Worte der Solidarität zu sagen.

 

Es sind zahlreiche Mitglieder der Gewerkschaften, die sich gegen S 21 engagieren. Ihr alle kennt nur zu gut die „Gewerkschafter/innen gegen Stuttgart 21“, die Montag für Montag die Demonstrationen aktiv und mit eigenen Initiativen unterstützen. Sie treffen sich übrigens normalerweise nach den Montagsdemonstrationen um ihre nächsten Schritte zu diskutieren.

Auch in den Gewerkschaften selbst gibt es Widerstand gegen S 21. In der IG Metall Stuttgart hat vor 2 Jahren die Delegiertenversammlung, sozusagen das „Parlament“ der Stuttgarter IG Metall, mehrheitlich beschlossen, den Kampf gegen Stuttgart 21 zu unterstützen. Das war keine einfache Angelegenheit, das war harte Überzeugungsarbeit der S-21- Gegnerinnen in der IG Metall.

Der frühere, leider verstorbene Erste Bevollmächtigte der IG Metall Esslingen, Sieghard Bender, hat im Namen der Esslinger den Kampf gegen Stuttgart 21 immer wieder aktiv unterstützt: Er hat auf Kundgebungen gegen S 21 gesprochen, er hat aktiv selbst an Blockeden gegen S 21 Am Südflügel teilgenommen. Und er hat Vertreter der Bewegung gegen S 21 eingeladen, an gewerkschaftlichen Demonstrationen der IG Metall Esslingen teilzunehmen. Ich selbst erlebte auf einer Esslinger IG Metall-Demo Gangolf Stocker.

Auch aus der ver.di und anderen Gewerkschaften wie gibt es starken Widerstand gegen dieses wahnwitzige Bahnrückbau-Projekt.

Trotzdem muss gesagt werden: Auch wenn unter den Gewerkschafter/innen sehr viele dieses Projekt ablehnen, sich gegen Stuttgart 21 engagieren, ihm vielleicht auch nur kritisch gegenüberstehen, auch wenn es Beschlüsse in den Gewerkschaften gegen S 21 gibt – es geschieht von offizieller Seite der Gewerkschaften viel zu wenig gegen S 21. In letzter Zeit geschieht kaum noch etwas, erst recht nicht von den Vorständen der IG Metall.

Immer wieder richten diese offenbar sich nach der SPD, die offiziell S 21 nicht nur unterstützt, sondern aktiv durchsetzt.

In den Gewerkschaftsorganisationen sind es nur die aktiven Gegner, die oft unter sehr schwierigen betrieblichen Bedingungen und Zwängen die Agitation gegen S 21 tragen. Aber sie haben heute kaum noch eine offizielle Stellungnahme der Gesamtorganisation auf ihrer Seite. So bleibt der Anteil der Gewerkschafter/innen an den Aktionen zu schwach.

Es ist das Ziel der Aktiven Gewerkschafter, dies zu ändern.

Es geht überhaupt nicht darum, sich irgendwie diese Bewegung zunutze zu machen, sie auszunutzen oder sie zu kontrollieren. Es gilt, für ein sichtbar stärkeres Engagement der Gewerkschaftsmitglieder zu werben. Deshalb werben wir dafür, dass alle Gegner gegen S 21, wenn es ihnen möglich ist, Mitglied in Gewerkschaften zu werden und auch dort aktiv zu sein.

 

Für gewerkschaftliche Aktivistinnen und Aktivisten gegen S 21 gibt es Themen, die – nur vordergründig und oberflächlich betrachtet – nicht viel mit unserem Kampf zu tun haben. Aber sie sind wichtig und werden immer wichtiger, je mehr die Bahn auf ihren Bauplätzen versucht Tatsachen zu schaffen (wie beim Beginn der Bohrarbeiten zu den Fildertunneln). Keine Gewerkschafterin, keinen Gewerkschafter kann die Frage egal sein, was auf den Bahnbaustellen los ist!

  • Wer arbeitet da überhaupt und unter welchen Bedingungen?

  • Aktive Gewerkschafter kritisieren den schmählichen Mindestlohn-Kompromiss in Berlin bei Schwarz Rot: Aber wird wenigstens der bezahlt auf den Baustellen?

  • Oder wird selbst dieser geringe 8,50-Eurolohn mit Werksvertrags- und Scheinselbständigkeits-Tricksereien hintergangen?

Das sind keinesfalls theoretische Fragen:

  • Erstens fanden sich skandalöse Unregelmäßigkeiten schon bei den ersten Abrissarbeiten am Nordflügel!

  • Zweitens schrecken selbst die größten Konzerne wie Daimler vor solchen Tricksereien nicht zurück.

Woher werden die Bauleute angeworben? Werden sie genötigt, als angebliche Selbstständige oder mit undurchschaubaren Werkverträgen anzuheuern? Ja, das gibt es: Sie müssen sich als angebliche Selbstständige zu Hungerlöhnen verdingen, Mindestlohn gilt da nicht, sie seien ja angeblich „selbstständig“! Solche üblen Usancen auf den Großbaustellen untergraben all die Propagandaversprechen der Pro S21 – Leute von angeblich all den vielen Arbeitsplätzen! Menschen, die sich in solchen Zwangsverhältnissen wiederfinden, kommen meist aus Armutsländern zu uns!

Werden sie gewerkschaftlich organisiert, um für einigermaßen korrekte Arbeitsbedingungen und Löhne kämpfen zu können?

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gegen Stuttgart 21 haben sich dieses Thema gesetzt und werden es vorantreiben. Dazu muss die Fachgewerkschaft IG Bau ins Boot! Sie muss aktiv werden, und wir werden es auch sein. Wir werden alles unterstützen, was bei diesem Wahnsinnsprojekt Sand ins Getriebe streut, alles was den Kampf dagegen stärkt.

 

In diesem Sinne: Glückauf.

  • Kolleg/innen und Kollegen, die den Alltagskampf und Alltagsstress in den Betrieben ertragen müssen und dagegen ankämpfen und

  • die Gegner /innen von S21 und anderen sinnlosen und aufoktroyierten Großprojekten – wir haben doch den gleichen Gegner: Das Kapital, welches diktatorisch verlangt, dass seine Interessen gegen uns durchgesetzt werden.

 

In diesem Sinne: Oben bleiben!