Neues Polizeiaufgabengesetz in Bayern: Perfektionierung des Repressionsapparats

Über 100 Seiten lang ist der Entwurf für ein neues bayerisches Polizeiaufgabengesetz. Der Landtag hat bereits darüber debattiert und es könnte noch vor der Landtagswahl im Herbst verabschiedet werden. Die Polizei erhält damit noch weitreichendere Befugnisse zur Überwachung und kann „Gefährder“ künftig praktisch unbegrenzt wegsperren. Der Protest dagegen formiert sich bereits.

Wir haben den Entwurf mit dem gültigen PAG vom 14. September 1990 verglichen und fassen im Folgenden die wichtigsten Änderungen zusammen:

Im Artikel 14 „Erkennungsdienstliche Maßnahmen“ wird künftig durch Absatz 3 die Möglichkeit der Entnahme von Körperzellen zur molekulargenetischen Untersuchung der DNA gegeben (auch präventiv). Technisch ist es inzwischen nicht mehr nur möglich, damit das Geschlecht zu bestimmen, sondern auch Aussagen über Alter, Augen-, Haar- und Hautfarbe und damit über die Herkunft zu treffen. Genau hier aber warnen Wissenschaftler vor möglichen Fehlschlüssen!

Artikel 15 enthält die Bestimmungen zur polizeilichen Vorladung, welche bisher verweigert werden konnte, solange sie nicht „zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person […] oder zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen [erforderlich war]“. Nun kann sie bereits zwangsweise durchgesetzt werden, wenn es sich um eine „drohende Gefahr“ (Abs. 3 Satz 1) handelt.

Auffällig ist, dass die – keineswegs prinzipiell neue – Kategorie der „drohenden Gefahr“ doch immer häufiger eingefügt worden ist! Diese wird aber nicht genauer definiert.

Der Artikel 22 behandelt die Durchsuchung von Sachen. Hier wird mit Absatz 2 nun eingefügt: „¹Betrifft die Durchsuchung ein elektronisches Speichermedium, können auch vom Durchsuchungsobjekt räumlich getrennte Speichermedien durchsucht werden, soweit von diesem aus auf sie zugegriffen werden kann. ²Personenbezogene Daten dürfen darüber hinaus nur dann weiterverarbeitet werden, wenn dies gesetzlich zugelassen ist.“ Das bedeutet, dass auch auf Smartphones, Computer usw. von Freunden und Bekannten zugegriffen werden darf.

Bei Artikel 23 über „Betreten und Durchsuchen von Wohnungen“ wird wieder ähnlich wie bei Art. 15 verfahren: „Die Polizei kann eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn […] 3. das zur Abwehr einer dringenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut erforderlich ist.“ Hier wurde das Adjektiv „gegenwärtig“ durch „dringend“ ersetzt und damit der Polizei ein größerer, zeitloser Ermessensspielraum zugebilligt.

Der Artikel 25 regelt die „Sicherstellung“ von Sachgütern. Diese soll die Polizei nun auch wieder bereits bei „drohender Gefahr“ durchführen können.

Bekanntlich soll auch eine eigene bayerische Grenzpolizei eingeführt werden. Diese erhält nun Aufgaben, die bisher die Bundespolizei wahrgenommen hat. Das regelt Artikel 29, Abs. 3: „ Nimmt die Polizei grenzpolizeiliche Aufgaben wahr, hat sie auch diejenigen Befugnisse, die hierzu durch Bundesrecht speziell einer mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörde eingeräumt werden.“

Mit Artikel 33 wird nun auch der Einsatz von „Body-Cams“ möglich – auch in der Privatwohnung. So Abs. 4: „¹Die Polizei kann Personen an öffentlich zugänglichen Orten offen mittels Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen, insbesondere auch mit körpernah getragenen Aufnahmegeräten erfassen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz von Polizeibeamten oder eines Dritten vor Gefahren für ein bedeutendes Rechtsgut erforderlich ist. ²In einer Wohnung darf diese offene Bild- und Tonaufnahme oder -aufzeichnung nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erfolgen, sofern damit nicht die Überwachung der Wohnung verbunden wird.“ Es stellt sich die Frage, was das für eine dringende Gefahr ist und was dann eine Kamera helfen soll. Ferner heißt es in Absatz 5, Satz 2: „Eine gezielte Beobachtung und Fertigung von Aufzeichnungen einer Person auf Grund eines automatisierten Datenabgleichs […] ist […] zulässig.

Es darf bezweifelt werden, ob diese Technik des automatischen Datenabgleichs oder „intelligente Videotechnik“ fehlerfrei arbeitet. Der Bayerische Rundfunk berichtet, dass Tests eine Trefferquote von gerade einmal 50% ergaben. Der Einsatz von technischen Mitteln an sich, auch in der Wohnung, ist aber nichts prinzipiell Neues. Neu ist „nur“, entsprechend dem technischen Fortschritt, der Einsatz von Body-Cams, intelligenter Videotechnik und Echtzeitbildabgleich.

Auch die Überwachung der Telekommunikation und des Briefverkehrs ist uns nicht neu. Ja selbst die Möglichkeit der Unterbrechung jeglicher Kommunikationsverbindungen des Betroffenen durch die Polizei ist keineswegs neu. Neu ist hier die Möglichkeit zur Sicherstellung und Einbehaltung der Post ohne Wissen des Betroffenen, so Art. 35, Abs. 1: „Die Polizei kann ohne Wissen des Betroffenen Postsendungen sicherstellen, wenn sich diese im Gewahrsam von Personen oder Unternehmen befinden, die geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken (Postdienstleister), und von einer Person versandt wurden oder an eine Person gerichtet sind, 1. die für eine Gefahr oder eine drohende Gefahr für ein […] bedeutendes Rechtsgut verantwortlich ist.“ Hinzu kommt im Artikel 42 (vorher Artikel 34a) der Absatz 5 mit Satz 3: „[…] darf auch der Zugang […] zu Rundfunk und Fernsehen sowie zu vergleichbaren Medien vorübergehend unterbrochen werden, auch wenn Dritte hiervon unvermeidlich mitbetroffen werden.“ Das bedeutet also, dass Personen selbst vom Zugang zu Nachrichten und Informationen aus dem öffentlichen Rundfunk und Fernsehen ausgeschlossen werden können.

Kaum verwunderlich ist, dass nun neben dem Militär auch die Polizei Drohnen einsetzen darf. Diese ebenfalls nicht nur öffentlich, sondern auch in Wohnungen. Dabei können diese, neben Videoaufnahmen, entsprechend auch für die Speicherung von Handydaten und Eingriffe in den Kommunikationsverkehr genutzt werden. Das regelt Artikel 47.

Bereits im Juli 2017 wurde das PAG vom Landtag geändert. So mit Artikel 20, Satz 3: „Die festgehaltene Person ist zu entlassen, 3. in jedem Fall spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Eingreifen, wenn nicht vorher die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch richterliche Entscheidung angeordnet ist. In der richterlichen Entscheidung ist die Dauer der Freiheitsentziehung zu bestimmen. Sie darf nicht mehr als drei Monate betragen und kann jeweils um längstens drei Monate verlängert werden.“ Das bedeutet, dass sog. „Gefährder“ theoretisch unbegrenzt weggesperrt werden können!

Erschreckend ist, dass in breiten Bevölkerungskreisen kaum ein Bewusstsein für die bereits gegebenen Möglichkeiten der Polizei vorhanden ist. So ist einiges, was manche Medien jetzt empört als „neu“ deklarieren, längst Gesetzt! So auch der Einsatz von Maschinengewehren und Handgranaten. Beispielsweise schreibt das Internetportal vom Fränkischen Tag am 04.04.2018: „Neues Polizeigesetz erlaubt Einsatz von Handgranaten“. Neu ist aber sehr wohl, dass Explosivmittel jetzt bereits dann eingesetzt werden dürfen, wenn der Gebrauch durch das Gegenüber erkennbar beabsichtigt ist oder der vorherige Gebrauch anderer Waffen nicht zielführend war, vgl. Artikel 86. Vor der Änderung mussten die Täter Explosivmittel tatsächlich eingesetzt haben.

Das Gesetz soll nach der zu erwartenden Annahme durch die CSU-Mehrheit, im Januar 2019 in Kraft treten. Die Kosten sollen sich dabei im „zweistelligen Millionenbereich“ bewegen. Es sei angemerkt, dass bereits ein Body-Cam-System ca. 1500 bis 2000 Euro kostet. Eine Drohne soll 20.000 bis 25.000 Euro kosten. Das sind keine einfachen Geräte, wie die für den Privatgebrauch, welche heute schon ab 100 Euro zu bekommen wären.

Gemäß der Begründung zu dem Gesetzesentwurf, werden die Änderungen gerechtfertigt, „um auf die aktuelle Gefährdung durch vielseitige Formen des Terrorismus, Extremismus, aber auch anderweitig motivierte gewichtige Bedrohungslagen bis hin zu Cyberangriffen reagieren zu können.“ Hier wird offen zugegeben, dass es keineswegs nur um Terrorismus, sondern eben auch um „Extremismus“ geht! Und wir wissen, was die Herrschenden darunter verstehen: Alle fortschrittlichen revolutionären Kräfte, die das kapitalistische System überwinden wollen!

Lasst uns gegen die Erweiterung der Machtbefugnisse dieses Staates protestieren!

Denn wir wissen: Dieser Staat ist nicht unserer – er ist ein Instrument der herrschenden Klasse zur Niederhaltung der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten!

Wir rufen daher zur Teilnahme an den Protestaktionen des fortschrittlich demokratischen Bündnisses „noPAG – NEIN! Zum Polizeiaufgabengesetz Bayern“ auf:

Am Freitag, den 20.04.2018 in Nürnberg. Treffpunkt um 18 Uhr am Aufseßplatz.

Am Samstag, den 21.04.2018 in Würzburg. Treffpunkt um 16:30 am Hauptbahnhof.

Sowie am Donnerstag, den 10.05.2018, um 13 Uhr Großdemonstration am Marienplatz in München.

Weitere Termine und Berichte von Aktionen findet man unter:

https://www.facebook.com/events/1027493267403259/permalink/1027503104068942/