Die irakischen Demonstranten wollen nicht mehr am Gängelband leben

Aus „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterartei Frankreichs

Nach zwei Monaten Demonstrationen, Hunderten von Toten und Verwundeten, Aufständen in den Städten des Südens Iraks, die Aufstandscharakter annehmen, hat am 29. November der Premierminister Mahdi den Rücktritt angekündigt. Er bringt die Mobilisierung nicht zum Stoppen, besonders die eines großen Teils der Jugend, aber wird als ein „erster Schritt“ von denen empfunden, die für einen“Systemwechsel“ kämpfen.

Dieses System ist das des US-Imperialismus, der im Irak eingefallen ist und 2003 ein System errichtet hat, das auf die Teilung der Macht unter den religiösen Parteien gegründet ist, die die US-Herrschaft und die Plünderung der Ölreichtümer durch ausländische Konzerne akzeptieren. Im Gegenzug finanzieren sich diese religiösen Parteien und die mit ihnen verbündeten Milizen dadurch, dass sie einen Teil dieses Reichtums abzweigen.

Die Führer des Iran haben sich dieses System zu Nutze gemacht, das die schiitischen Parteien und Milizen des Irak begünstigt, mit denen sie enge Beziehungen pflegen

Die irakischen Eliten, die in Hochsicherheitszonen leben, wie die „grüne Zone“ in Bagdad, lassen die riesige Mehrheit der Bevölkerung in einem durch dreißig Jahre Krieg und Blockade ruinierten Land dahinvegetieren. Im Jahr 1991 hatte der US-Staatssekretär James Baker, einer der Kriegsverbrecher der Bush-Clique, gesagt, dass die USA den Irak bombardierten, „um ihn in die vorindustrielle Zeit zurück zu bomben“. Das war während des ersten Golfkrieges. Die in der Folgezeit auferlegten Wirtschaftssanktionen, die zigtausende ziviler Opfer verlangten, gingen weiter bis zum Sturz Saddam Husseins und seiner Ermordung und der Errichtung dieses Regimes der religiösen Parteien in 2003.

Die jugendlichen Iraker haben diese Zeit nicht erlebt, aber sie spüren ihre Folgen. Sie leben in einem Land, in dem die ausländischen Ölgesellschaften im Süden des Irak, in der Region Basra, dem einzigen wichtigen Exporthafen, das Öl abpumpen. Aber sie finden keine Arbeit oder müssen die Milizen und religiösen Parteien bezahlen, um eine der schlechtest bezahlten Jobs zu finden.

In dieser Region haben die Demonstrationen und Manifestationen seit 2011 nie aufgehört. Dort und in Bagdad haben 2018 Demonstrationen Tausende von Armen, Arbeitern, Jugendliche auf die Straße gebracht, damit Trinkwasser und Elektrizität für alle zugänglich sein sollen und dass ein Gesundheits- und Schulwesen, das diesen Namen verdient, funktionieren soll.

Der Süden Iraks ist mehrheitlich von Schiiten bewohnt. Und genau dort prangern die Demonstranten die „Regierung der Diebe“, die Korruption, das System der religiösen Parteien und Milizen, einschließlich der schiitischen, an. Sie fordern das Ende der ausländischen Einmischung und einen Irak, der vom Mechanismus der Spaltung, die auf der Religion oder ethnischen Zugehörigkeit beruht, befreit ist. Die Demonstranten kämpfen seit zwei Monaten für diese sozialen und nationalen Forderungen, trotz der Repression, der Schüsse mit scharfer Munition, der Verhaftungen in Basra wie in Nadschaf und Bagdad.

Mahdi ist also „als Kompromiss“ von seinem Posten als Premierminister zurückgetreten, den er seit Oktober 2018 innehatte. Er wurde von den religiösen Parteien auf diesen Posten gebracht, die weiterhin prosperieren wollten, weil er sich weder den USA noch den iranischen Führern widersetzte.

Angesichts de Radikalisierung und der Kritik, die sich besonders durch den Brand des iranischen Konsulats in Nadschaf ausdrückte, hat der einflussreichste religiöse Führer der Schiiten, Al-Sistani, der in dieser heiligen Stadt des Schiitentums wohnt, den Wink gegeben, Mahdi zu opfern „um das Chaos zu vermeiden“: anders gesagt, das Ende des auf religiöse Parteien basierenden System.

(Übersetzung aus „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterartei Frankreichs, Dezember 2019)