Namibia: Die Völker der Herero und Nama lehnen den Betrugsversuch der Bundesregierung ab


Foto: Angekettete Herero, 1904. Ullstein Bilderdienst Berlin. Public domain; wikipedia

Korrigiert am 30.5.21

Wenn Außenminister Heiko Maas (SPD) sich über irgendetwas „froh und dankbar“ zeigt, so ist außerordentliche Vorsicht geboten!

So auch bei der jetzt mit der namibischen Regierung ausgehandelten Einigung zum deutschen Völkermord in Namibia in den Jahren von 1904 bis 1908. Damals wurden fast drei Viertel der Herero von Deutschen ermordet. Die Massaker gelten mithin als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts.

Die namibische Regierung hat vor fünf Jahren zu Verhandlungen mit der deutschen Bundesregierung eingewilligt, wenn drei Eckpunkte berücksichtigt werden: Die Anerkennung Deutschlands in Namibia systematischen Völkermord betrieben zu haben und die bedingungslose Entschuldigung des höchsten Vertreter Deutschlands vor dem namibischen Volk und Parlament, besonders aber vor den betroffenen Völkern, sowie die Zahlung von Reparationen.

Den beiden ersten Forderungen soll nun seitens der Bundesregierung nachgekommen werden: Die unbestreitbare Tatsache, dass deutsche Soldaten und Siedler in Namibia in den Jahren von 1904 bis 1908 Einheimische systematisch verfolgt und Zehntausende ermordet haben, soll endlich als das anerkannt werden, als was es der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Georg Ledebour bereits am 2. Oktober 1904 charakterisiert hat: „die Vernichtung und Ausrottung der Eingeborenen“. Damals war die SPD noch eine revolutionäre Partei, die mutig und kämpferisch war. Heute dient sie den Interessen des deutschen Imperialismus. Die Bundesregierung bezeichnete die Ereignisse in Namibia erstmals im Juli 2015 als Völkermord. Zur fälligen Entschuldigung will Bundespräsident Steinmeier (SPD) noch in diesem Jahr nach Namibia reisen.

Deutschland bietet ein Almosen!

Alleine: die dritte Säule der Forderungen soll nicht erfüllt werden! Deutschland wird keine Reparationen für erlittenes Unrecht zahlen. Statt der ursprünglich geforderten 40 Mrd. EUR sollen nunmehr 1,1 Mrd. EUR, über 30 Jahre verteilt, in verschiedenen Regionen zur Unterstützung der am meisten betroffenen Völker gezahlt werden.

Konsequenterweise lehnten die Vertreter der Herero und Nama die Einigung zwischen Namibia und der Bundesrepublik Deutschland ab. Damit steht die Unterzeichnung des Vertrages seitens Namibias auf der Kippe. Die Vertreter äußerten zudem den Verdacht, dass die versprochenen Mittel in längst beschlossene Entwicklungsprojekte fließen werden.

Vekuii Rukoro, Paramount Chief der OvaHerero, macht in einer Pressekonferenz der OvaHerero Traditional Authority (OTA) und der Nama Traditional Leaders Association (NTLA) deutlich, dass diese Summe, verteilt auf so einen langen Zeitraum, weniger Geld bedeute als die in der Covid-19-Pandemie von der namibischen Regierung ausgezahlten Soforthilfen, meldet die regierungseigene namibische Tageszeitung New Era.

Das passiert, wenn ein schwacher Verhandlungspartner (Namibia) die Almosen annimmt, die ihm angeboten werden, nach dem Prinzip ‚friss, Vogel, oder stirb‘. Es wurde ja auch nicht das eigene Blut vergossen. Nur die Stämme der Herero und Nama wurden so brutal verfolgt,“ wird Rukoro von der in Windhoek erscheinenden deutschsprachigen Allgemeinen Tageszeitung zitiert.

Das Einlenken der namibischen Regierung in dieser Frage bedeutet also, dass die betroffenen Völker Namibias nicht einmal Mitspracherecht bei der Verwendung der Mittel haben, geschweige denn selbst über diese Mittel verfügen dürfen. Die Entwürdigung dieser Völker wird so von den beiden Regierungen fortgesetzt. Die unterdrückten Völker finden sich wieder bei Brosamen am Katzentisch. Es wird über sie gesprochen, nicht mit ihnen.

Koloniales Unrecht wird fortgesetzt

Der namibische Journalist Kae Matundu-Tjiparuo kommentierte bereits am 1. Mai 2021 die damals kurz vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen in der unabhängigen Wochenzeitung Windhoek Observer: „Die namibische Regierung und ihre deutsche Gegenseite scheinen den einfachen Weg zum gegenseitigen, auf ihren Sprengel begrenzten Vorteil genommen zu haben, mit geringer oder gar keiner Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Gemeinschaften in Namibia. Genau wie die geplanten Projekte wenig mit den unmittelbaren Interessen der potentiellen Nutznießer, den betroffenen Gemeinschaften, zu tun haben.

Genau wie die namibische Unabhängigkeit von sogenannten Nationalisten und Patrioten im Interesse des Kapitals usurpiert wurde – und der damit verbundenen Massenausbeutung der Arbeiter und Bauern, die noch nicht die Früchte der Unabhängigkeit genießen – werden von den geplanten Projekten nur wenige der Nachkommen der Opfer des Völkermords direkt profitieren. Die Absicht wäre ein Kaltstart der notleidenden kapitalistischen Wirtschaft Namibias mit dem Effekt eines – wenn überhaupt – Durchsickerns in die betroffenen Gemeinschaften.“

Namibia: Die Forderungen der ehemaligen Kolonialvölker sind gerechtfertigt!

Die Werktätigen Deutschlands sind es gewohnt, Forderungen nach finanzieller Entschädigung für erlittenes Unrecht ablehnend, wenn nicht gar feindlich gegenüberzustehen. Je länger das Unrecht zurückliegt, desto tiefer reicht die Abneigung gegenüber solchen Forderungen.

Das ist nicht ohne Grund so, denn es sind stets die Werktätigen, die für die Sünden ihrer herrschenden Klasse geradestehen müssen. Doch sollten wir uns auch fragen, wieviel Rücksichtnahme wir von den ehemaligen Kolonialvölkern heute erwarten dürfen, wo wir damals so wenig Solidarität mit ihnen gezeigt haben, gerade als diese überlebensnotwendig war.

Auch sprechen wir von moderaten Forderungen, selbst in ihrer ursprünglichen Form von 40 Mrd. EUR. Das sind knapp 6 Prozent der Steuereinahmen von Bund und Ländern in einem Jahr. Auf 30 Jahre verteilt sind das zwei Promille der jährlichen Steuereinnahmen!

denn sie hatten niemals Vorteile vom Kolonialismus

Den kolonialisierten Völker wurde durch die Ausbeutung ihrer verfügbaren Ressourcen (Bodenschätze, Land, Menschen) stets größerer Schaden zugefügt, als durch die Leistungen der Kolonialmächte (Infrastruktur, Handel, Ausbildung) hätten wettgemacht werden können. Es gibt, anders als es landläufig gerne behauptet wird, kein Plus im Saldo zwischen den Kolonialmächten und deren Kolonien.

Besonders aber der Verlust an Menschen wiegt schwer, denn dieser ist durch fortgesetzten Geburtenausfall langfristig und generationenübergreifend. Anders als in der öffentlichen Wahrnehmung gelten in Fachkreisen weite Teile des afrikanischen Kontinents südlich der Sahara durch die Bevölkerungsverluste wegen des kolonialen Sklavenhandels und der Völkermorde als chronisch unterbevölkert, ein ernsthaftes Entwicklungshemmnis.

Reparationen, wie sie von Völkern in Namibia gefordert werden, vermögen die angerichteten Schäden nicht zu kompensieren, doch hebt die Akzeptanz dieser Forderung die ehedem unterdrückten Völker auf Augenhöhe mit ihren ehemaligen Unterdrückern. Und sie ziehen den bei solchen Anlässen immer gerne geforderten Schlussstrich. Aber eben im Interesse der Unterdrückten!

Zitierte Quellen:

https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2463396

https://www.namibian.com.na/101976/read/Germany-offers-projects-worth-N$186b

https://neweralive.na/posts/chiefs-reject-genocide-reparations-deal

https://www.az.com.na/nachrichten/namibia-ist-ein-schwacher-unterhndler-2021-05-28/

https://www.observer24.com.na/reparations-futile-channel-for-egoistic-masturbation-capitalist-self-enrichment/