Vestas macht Wind!

Seit Anfang November letzten Jahres befinden sich mehrere Hundert Kollegen bei Vestas Deutschland mit Unterbrechungen im Streik, denn die Belegschaft des zweitgrößten Windenergieanlagenherstellers in Deutschland ist unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen und dem Gehalt. Seit Mai 2022 gab es Verhandlungen zwischen der IG Metall und der Geschäftsführung, jedoch bemühte sich diese, die Verhandlungen unter Ausschluss der Gewerkschaft zu führen, was die Kollegen wiederum entschieden ablehnten. Daraufhin wurden die Verhandlungen zwei Monate später seitens der Vestas-Führung abgebrochen. In der Urabstimmung stimmten schließlich 88% der Gewerkschaftsmitglieder bei Vestas für den unbefristeten Streik. Vor allem die Monteure und Mitarbeiter im Service sind an dem Arbeitskampf beteiligt, welcher den Abschluss eines Tarifvertrags für die Beschäftigten zum Ziel hat. Vestas Wind Systems ist ein internationaler Hersteller von Windkraftanlagen mit rund 29.000 Beschäftigten, davon 1.700 in Deutschland. Wie in vielen anderen Branchen mangelt es auch hier an Fachkräften und Auszubildenden, was mehrere Gründe hat. Die Gehälter, die früher vergleichsweise gut waren, sind laut Beschäftigten in den letzten zehn Jahren kaum gestiegen. Wenngleich sich der Umsatz des Unternehmens zwischen 2012 und 2022 auf 14,5 Milliarden Euro verdoppelte, spürten die Arbeiter von diesem Aufwärtstrend nichts.

Neben der schlechten Bezahlung arbeiten die Beschäftigten auch oft unter sehr harten Bedingungen. Die Mitarbeiter sind bei ihren Arbeiten an den Windrädern nicht nur Wind und Wetter ausgesetzt, sondern stehen auch oft ohne eine Möglichkeit da, sich umzuziehen, zu waschen oder eine Toilette zu benutzen. Schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen führen dazu, dass Neuzugänge häufig nicht lange im Betrieb bleiben und Ausbildungsplätze nicht besetzt werden.

Die seit Jahren unveränderte Situation, sowie die Verweigerungshaltung der deutschen Geschäftsführung bestärken die Kollegen jedoch umso mehr in ihrem Begehren. Auch die zahlreichen Solidaritätsbekundungen, beispielsweise von der Bundesjugendkonferenz, der Angestelltenkonferenz und einzelnen Geschäftsstellen der IG Metall haben die Vestas-Beschäftigten bestärkt.

Als sie bei Vestas Deutschland auf taube Ohren stießen, fuhren 200 Kollegen zur Konzernzentrale in Dänemark und hielten dort eine Streikkundgebung ab. Der COO trat den Streikenden entgegen, allerdings nur um ausrichten zu lassen, dass Vestas weiterhin keine Verhandlungen mit der IG Metall wolle. Im Februar 2023 trug eine Delegation der Vestas Beschäftigten ihr Anliegen dann auch noch in den Bundestag, wo sie mit Arbeitsgruppen und verschiedenen Abgeordneten in Austausch kamen.

Seit Mitte März 2023 sind die Gespräche zwischen Vestas und der IG Metall wieder aufgenommen und die Streiks ausgesetzt. Der Geschäftsführer von Vestas Deutschland Nils de Baar und der Bezirksleiter der IG Metall Küste Daniel Friedrich äußern sich in einem gemeinsamen Statement zuversichtlich bis Ende März eine Einigung zu erreichen. Ob diese Einigung eine erhebliche Verbesserung für die Beschäftigten bringen wird, bleibt abzuwarten, denn die letzten Tarifabschlüsse der IG Metall glichen eher einem Einknicken als einem erfolgreichen Kampf. Es ist beachtlich, dass es in diesem Betrieb zum Streik kam und dieser so lange durchgehalten wurde, denn die Arbeitsplätze der Beschäftigten verteilen sich auf viele bundesweit zerstreute Baustellen. Dies zeigt, neben der Stimmung, die in Kurzinterviews deutlich wird und der schieren Ausdauer der Streikenden, die Entschlossenheit und die Kampfbereitschaft, die sich im Betrieb ausgebreitet hat. Leider entspricht das aber meist nicht der Haltung der Gewerkschaftsfunktionäre. Sie sehen bei Tarifkonflikten ihre Aufgabe nicht allein darin, das Interesse ihrer Mitglieder, also der Arbeiter, zu vertreten, sondern ganz im Sinne der Sozialpartnerschaft auch die Interessen der Arbeitgeber zu wahren.