Die Jongleurin

Außenministerin Annalena Baerbock war früher ja mal eine recht begabte Trampolin-Springerin. Inzwischen hat sie – ihres Berufs wegen – die Sportart gewechselt. Sie ist jetzt eine mehr oder weniger begabte Jongleurin. Das Betätigungsfeld, auf dem sie ihre Künste ausübt, ist natürlich das Feld der Diplomatie.

In China war sie gerade dabei, die Scharte, die der französische Staatspräsident Macron in die scharfe Waffe USA-NATO-EU geschlagen hat, wieder auszuwetzen. So mahnte sie die chinesischen Machthaber, es sei ein „Horrorszenario“ für die Welt, sollte die VR China die Insel Taiwan – die immerhin zum chinesischen Territorium gehört – militärisch angreifen. Wörtlich sagte sie: „Eine militärische Eskalation in der Straße von Taiwan – durch die wie bereits gesagt täglich 50% des Welthandels fließen – wäre für die gesamte Welt ein Horrorszenario.“ Der „Welthandel“ ist also das, was unserer guten Außenministerin Sorgen macht, nicht die vielen Toten, die so eine „militärische Eskalation“ bedeuten würde. Ach nein, man ist ja selbst durch Waffenlieferungen in den Krieg in der Ukraine verstrickt.

Auch mahnte Baerbock die Einhaltung der Menschenrechte an, insbesondere in Bezug auf die Minderheit der Uiguren in Sinkiang. Man muss da schon recht mit den Fakten jonglieren, wenn man einerseits die Einhaltung der Menschenrechte fordert, sie andererseits aber einfach ausblendet: die Abschottung der Festung Europa, die illegalen Pushbacks von Geflüchteten und die Abschiebungen in Länder wie Afghanistan. In einer Mitteilung vom 30. März berichtet „Pro Asyl“: „In Griechenland gehen die Pushbacks weiter, auch Deutschland schiebt in die türkischen Erdbebengebiete ab,…“ Ergänzung: die so genannten Ortskräfte in Afghanistan warten vergebens auf die Ausreise, die ihnen Deutschland versprochen hat.

Andrerseits musste Baerbock auch die Bedürfnisse der deutschen Konzerne befriedigen. China mit der weltgrößten Produktionskapazität und einer Bevölkerung von ca. 1,4 Milliarden Einwohnern ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Ein Heer von 277 Millionen Wanderarbeitern (Angaben von 2015) wartet auf Beschäftigung und die Angehörigen der chinesischen Mittel- bis Oberschicht sind gute Kunden für PKWs Marke Daimler, Porsche, BMW…

Erich Mühsam schreibt in seiner Glosse „Politisches Varieté – 1912“:

„Die Stars der Diplomatie scheinen seit geraumer Zeit ausgestorben zu sein. Die das Handwerk heutzutage betreiben, beweisen in ihren Vorführungen so viel Ungeschick, dass das zahlende Publikum ihnen nachgerade hinter die Schliche kommt.

Darauf ist es aber noch nicht gekommen, dass die Teller und Glaskugeln, mit denen im politischen Bumstheater gearbeitet wird, seine Rechte und Interessen sind, dass der Gaul, auf dem die Diplomatie Hohe Schule reitet, sein Buckel, und das Seil, auf dem die Politik getanzt wird, sein Lebensnerv ist. Es schaut gemächlich zu, wie die Staatsartisten der verschiedenen Länder um seine Knochen würfeln und findet gar nichts dabei, dass zur Austragung ihrer Katzbalgereien sein Blut gezapft wird.

Der politische Hokuspokus ist ein verdammt gefährliches Handwerk – nicht für die, die es treiben, sondern für die, mit denen es getrieben wird.“

Nun, ganz so wie 1912 ist es ja wohl nicht mehr. Nicht das ganze Volk schaut mehr gemächlich zu, wie Deutschland und die EU immer mehr in den Krieg getrieben werden und selbst treiben, in dem es für sie nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren gibt.

S.N.