Frankreich: Plan für den ökologischen Wandel?

Ziele, aber (noch) keine Mittel!

Am 22. Mai trat E. Borne 1) zusammen mit zehn Ministern vor den Nationalen Rat für den ökologischen Übergang, um ihren Plan vorzustellen, Frankreich bis 2050 CO2-neutral zu machen, mit einem ersten Schritt im Jahr 2030.

War die Premierministerin mit einer ganzen Reihe von Ministern angereist, um zu zeigen, dass man auf die „Zivilgesellschaft“ Rücksicht nimmt? Auf jeden Fall sollte durch die Inszenierung der Eindruck erweckt werden, dass das Thema wichtig ist – und das ist es tatsächlich – und dass man große Stücke auf diese Instanz hält, die nach dem Willen der Regierung dazu dienen soll, „den sozialen Dialog im Umweltbereich zu stärken“. Diese viel beachtete Ankündigung ist auch Teil von Macrons Taktik, mit der er versucht, ein neues Kapitel aufzuschlagen, indem er die Aufmerksamkeit unserer Mitbürger auf andere Themen als das immer noch brennende Thema der Rentenreform lenkt.

Bei dieser Präsentation bezifferte die Premierministerin die Anstrengungen, die die verschiedenen Wirtschaftssektoren unternehmen müssen, um ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Der Verkehr soll von 129 Millionen Tonnen CO2 auf 92 Millionen CO2/Jahr reduziert werden, die Industrie von 72 auf 45, die Energiewirtschaft von 47 auf 27, das Bauwesen von 64 auf 30 und die Landwirtschaft von 81 auf 68. In der Landwirtschaft, dem Sektor, in dem die Anstrengungen am geringsten sind, fordert die Regierung die Akteure lediglich dazu auf, „Kohlendioxidsenke zu fördern“, und setzt das Ende der Netto-Bodenbebauung fest.

Dieser Plan, um bis 2050 CO2-neutral zu werden und unsere Emissionen bis 2030 um 50 % zu senken, wird große Investitionen erfordern. E. Borne machte keinen Hehl daraus, dass diese notwendigen und massiven Investitionen das Wachstum verlangsamen und die Schuldenlast erhöhen werden. E. Borne machte auch deutlich, dass der Aufwand „proportional und gerecht verteilt“ sein müsste; die Unternehmen müssten die Hälfte des Aufwands tätigen, der Staat übernehme seinen Anteil von 25%, und die Privatpersonen müssten die restlichen 25% tragen.

In einem von der Regierung in Auftrag gegebenen Bericht haben der Wirtschaftswissenschaftler Jean Pisani-Ferry und die Generalinspektorin für Finanzen Selma Mahfouz die erforderlichen Investitionen beziffert. Die Kosten für die Anpassung an die Ziele der CO2-Neutralität würden 66 Milliarden Euro an zusätzlichen öffentlichen Investitionen pro Jahr betragen und bis zum Jahr 2030 eine Verschuldung von 200 bis 300 Milliarden Euro erfordern.

Der Bericht schlägt 70 mit Zahlen unterlegte Maßnahmen vor. Sie sind um drei Schwerpunkte angeordnet: Abschaffung der Subventionen für fossile Energien, Erhöhung der Verschuldung und eine Steuer auf das Finanzvermögen der reichsten 10 % der Familien. Aber von dieser Steuer, einer grünen ISF 2) gewissermaßen, hat der Wirtschaftsminister bereits gesagt, dass er sie nicht will! Was die Frage der Verschuldung betrifft, so wird sie auf die – wenn auch gelockerten – Kriterien der EU stoßen.

Wenn man bedenkt, in welchem Maße sich die fortgeschrittenen Gesellschaften als unfähig erwiesen haben, die durch die Globalisierung hervorgerufenen Gewinne gerecht zu verteilen, muss man an ihrer Fähigkeit, die Kosten des ökologischen Wandels zu verteilen, zweifeln.“ Wir zitieren hier nicht die Überlegungen eines Revolutionärs, sondern die von J. Pisani-Ferry.

Dieser mit Zielen, aber ohne konkrete Maßnahmen vorgelegte Plan soll bis Ende Juni präzisiert werden, damit er am 19. Juni dem Senat und am 17. Juli der Nationalversammlung vorgelegt werden kann.

Anmerkungen:

1) E. Borne: französische Premierministerin seit 16. Mai 2022

2) ISF: Vermögenssteuer, in Frankreich 1989 eingeführt, am 1. Janunar 2018 praktisch abgeschafft

Recht auf Verschmutzung, Recht auf Superprofite!

In einer Zeit, in der die gesamte Gesellschaft über die globale Erwärmung und die Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt besorgt ist, in der die Regierung einen Plan für den ökologischen Wandel vorlegt und der Präsident selbst davon spricht, die Industrie grüner zu machen, stellte die Zeitung Le Monde in ihren Spalten das Ergebnis einer achtmonatigen Untersuchung über die Auswirkungen der von der EU an die großen umweltverschmutzenden Unternehmen verteilten CO2-Quoten vor. Die Untersuchung bezieht sich insbesondere auf die großen europäischen Zement- und Stahlkonzerne. Seit Januar 2005 (und das System soll bis 2034 bestehen bleiben) haben die Hersteller von Stahl, Zement, Öl, Aluminium… von der EU kostenlos CO2-Emissionszertifikate erhalten: ein kostenloses Zertifikat für 1 Tonne CO2. Durch das Ausspielen der verschiedenen Zuteilungskriterien verkauften diese großen Konzerne, die über überschüssige Zertifikate verfügten, diese zu besonders lukrativen Preisen an Unternehmen, die sie benötigten.

Am Anfang dieses Systems der „Verschmutzungsrechte“ stand eine „lobenswerte“ Absicht: Unternehmen sollten dazu gebracht werden, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, indem sie zur Kasse gebeten werden, sobald sie die den Behörden gemeldeten Höchstgrenzen überschreiten. Die Untersuchung zeigt, dass das System seit fast 20 Jahren als Finanzinstrument missbraucht wird, das es den Nutznießern ermöglicht, ihre Gewinne durch den Weiterverkauf der Zertifikate zu steigern, wobei sich die Beträge auf mehrere Millionen Euro belaufen. Der Zementhersteller Lafarge, der Stahlhersteller ArcelorMittal, um nur einige zu nennen, aber auch viele andere, haben von diesem System stark profitiert. Die Journalisten stießen bei ihren Recherchen natürlich auf das „Geschäftsgeheimnis“, dass ebenso wie bei den Betriebsräten dieser Großkonzerne, die Bosse die Gewerkschaftsvertreter Vertraulichkeitserklärungen unterschreiben ließen. Die Zeitung schließt das Ergebnis ihrer Untersuchung dieses Missbrauchs mit den Worten: „Unanständig, aber legal!“.

(aus La Forge, Zeitung der PCOF, Juni 2023)