Nationale Sicherheitsstrategie – Säbelrasseln nach außen, Repression nach innen

Am Mittwoch, den 14.06., beschloss das Bundeskabinett erstmals seine „Nationale Sicherheitsstrategie“. Geht es dabei etwa um die Sicherheit der Bevölkerung vor imperialistischen Kriegen und deren Folgen, die Sicherheit der abhängig Beschäftigten, von Arbeitern, Angestellten, Auszubildenden etc. vor kapitalistischer Ausbeutung, von Geringverdienern und Sozialhilfeempfängern vor der Armutsfalle, von Schülern und Studierenden vor dem Bildungsnotstand oder Kranken vor Unterversorgung usw.? Nein, das alles nicht!

Auf einer Pressekonferenz in Berlin stellten Bundeskanzler Scholz und vier Ministerinnen und Minister eine Broschüre unter dem Titel „Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland“ vor. Das Dokument knüpft inhaltlich an die Zeitenwende-Rede von Olaf Scholz am 27. Februar 2022 im Bundestag an, nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Bundesrepublik ist demnach Opfer neuer weltpolitischer Bedrohungen und Feinde. Ihre eigene Teilnahme an völkerrechtswidrigen Kriegen, z.B. dem Krieg gegen Jugoslawien, und der Aufmarsch der Bundeswehr im Rahmen der NATO-Osterweiterung in Europa (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, baltische Staaten, Rumänien, Bulgarien…) in den vergangenen drei Jahrzehnten wird nicht erwähnt. Das Papier behauptet schlicht und einfach – aber wahrheitswidrig: „Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Ausland stehen immer im Einklang mit dem Völkerrecht, dem Grundgesetz und den gesetzlichen Vorgaben.“

Russland wird logischerweise als der militärische Hauptfeind ausgemacht. Es wird zweimal als „auf absehbare Zeit größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum“ bezeichnet. China ist gemäß der NATO- und EU-Sprachregelung „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“. Damit ist die Begründung für weitere Aufrüstung der Bundeswehr schon geliefert. Man muss ja dem hochgerüsteten „Hauptfeind“ entsprechend entgegentreten. Praktische Konsequenzen werden in dem Dokument zumeist nur angedeutet – bis auf eine: Die Verteidigungsausgaben sollen ab kommendem Jahr „im mehrjährigen Durchschnitt“ auf das Zwei-Prozent-Ziel 1) der NATO-Staaten erhöht werden. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will das „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro dafür ausgeben. Gegen Ende des Jahrzehnts müsse das aber aus dem normalen Haushalt kommen. Lindner bot dazu die Gürtel-enger-Schnallen-Formel an: „Wir müssen aus der Zeit der Friedensdividende in die Freiheits- und Friedensinvestitionen kommen.“ Denn: „Wünschenswerte Vorhaben werden zurückgestellt werden müssen.“ Im Klartext: Die Menschen in Deutschland sollen den Gürtel enger schnallen, damit der deutsche Imperialismus Krieg führen kann. Bezeichnend: Die im Koalitionsvertrag noch erwähnte Koppelung der Steigerung der Verteidigungs- und Entwicklungsausgaben im Verhältnis eins zu eins fällt ebenso weg wie eine Zurückhaltung bei Rüstungsexporten.

Das, was als „Nationale Sicherheitsstrategie“ ausgegeben wird, soll sich auch auf die Innenpolitik, auf das gesamte gesellschaftliche Leben der Bundesrepublik auswirken. In dem Papier heißt es dazu: die Handlungsfähigkeit Deutschlands nach außen hänge „zunehmend auch von seiner Resilienz 2) im Inneren ab.“ Laut Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), die bei der Ausarbeitung federführend war, werden zum Beispiel Katastrophenschutz „wie an der Ahr“, Entwicklungshilfe, Kampf gegen Klimawandel, Schutz der Infrastruktur, Wasserversorgung, Bildung und Cyberraum einbezogen. Aber bestimmt – wenn auch nicht besonders erwähnt – gehört auch die Absicherung gegen den „inneren Feind“ dazu, sprich Ausbau von Polizeiapparat, staatlichem Spitzelwesen, Lauschangriffe usw., um die nationale Sicherheit gegen solche „terroristischen Kräfte“ wie zum Beispiel die „Letzte Generation“ aufrechterhalten zu können.

Fazit. Die „Nationale Sicherheitsstrategie“ verspricht verstärkte Aufrüstung – sprich 2% des Brutto-Inlandsprodukts für Rüstung und Militär – und damit Erhöhung der Kriegsgefahr, die jetzt schon durch die Einmischung in den Ukraine-Krieg durch Waffenlieferungen und Ausbildung ukrainischer Soldaten gegeben ist. Sie bedeutet soziale Einschnitte – Lindner-Sprech : „Wünschenswerte Vorhaben werden zurückgestellt werden müssen.“ Und sie wird sich auch auf unsere demokratischen und Freiheitsrechte auswirken. Ein Vorgeschmack davon ist schon die EU-Gesetzgebung zum Recht auf Asyl. Kommunisten, Demokraten und Menschenrechts- und Umweltaktivisten, egal wie sie zu Russland, China, zu FFF oder „last generation“ stehen, müssen gemeinsam gegen die „Nationale Sicherheitsstrategie“ kämpfen!

Gegen Militarismus und Krieg – für Frieden und Völkerverständigung!

Gegen Sparpolitik und Sozialabbau – Arbeit und Auskommen für alle!

Gegen Unterdrückung und Polizeistaat – für Freiheit und demokratische Rechte!

Anmerkungen:

1) Laut SIPRI lag der Anteil der Rüstungsausgaben Deutschlands am Bruttoinlandsprodukt 2021 mit 46,9 Milliarden Euro bei 1,34%. Das heißt: bei 2% Anteil und gleichbleibendem BIP betragen die Rüstungsausgaben 70 Milliarden Euro, das ist eine Steigerung um 23,1 Milliarden oder knapp 50%. Quelle: https://www.sipri.org/databases/milex

2) Resilienz ist ein häufig gebrauchtes Modewort und heißt laut Wiktionary etwa: Robustheit, Selbstregulation, Standhaftigkeit, Widerstandsfähigkeit, Widerstandskraft, Zähigkeit. Kritik am Begriff der Resilienz gibt es laut Wikipedia auch: Der dem Begriff unterliegende Theorieansatz ist der der Adaption. Vor dem Hintergrund einer globalen Veränderung durch ökonomische und klimabedingte Faktoren geht die Resilienz-Forschung davon aus, dass sich Systeme bei Störungen anpassen müssen. Kritiker werfen ihr vor, somit die Umweltveränderungen hinzunehmen und aus einer opportunistischen Haltung „das Beste daraus zu machen“.

Zitate aus „JungeWelt“ vom 15.06.2023: https://www.jungewelt.de/artikel/452789.nationale-sicherheitsstrategie-von-feinden-umgeben.html

S.N.