Hamburg – Drehkreuz der NATO?

Nachdem im letzten Jahr mit dem „Red Storm Alpha“-Manöver der Kriegsfall im Hamburger Hafen geübt wurde, soll nun die Übung auf das Hamburger Stadtgebiet erweitert werden. Daran teilnehmen werden 500 Soldaten sowie Hamburger Behörden, Polizei, Feuerwehr, THW, die Agentur für Arbeit und Unternehmen wie Airbus, Blohm+Voss, die Hamburger Hafenlogistik HHLA und die Hafenbehörde Hamburg Port Authority. Gegen das fünftägige Manöver regt sich aber auch Widerstand in der Hansestadt.

Eine Stadt soll kriegstüchtig werden

Der Hamburger Hafen oder auch ganz Hamburg als Drehkreuz der NATO – diese Bezeichnung findet sich immer häufiger im stadtpolitischen Diskurs. Konkret heißt das: Im Kriegsfall an der „Ostflanke“ sollen NATO-Truppen, deutsche und westeuropäische, vor allem über den Hamburger Hafen nach Osten verlegt werden, um die NATO-Bündnispartner dort zu unterstützen. Unter genau diesem Szenario wird auch das nächste Manöver der Bundeswehr in Hamburg stattfinden. Beim „Red Storm Bravo“-Manöver geht es um ein fiktives Szenario, in dem ein „eskalierender Konflikt“ an den Grenzen zum Baltikum geschieht. „Eskalierender Konflikt“ heißt demnach: eine sich zuspitzende Situation, aber noch kein Kriegsfall. Diesem will die NATO zuvorkommen und in einer solchen Situation schon vor einem möglichen Angriff „präventiv“ Truppen in Richtung Baltikum verlegen.

Dieses Manöver soll nicht nur die Soldaten der Bundeswehr schulen. Zahlreiche eigentlich zivile Institutionen sind in das Manöver eingeplant – ein Trend, den wir an verschiedensten Stellen beobachten können. Der „Operationsplan Deutschland“, ein Plan der Bundeswehr, der die Truppenverlagerung durch ganz Deutschland im Kriegsfall logistisch vorbereitet, bezieht ganz bewusst auch zivile Akteure wie das Technische Hilfswerk (THW), verschiedenste Unternehmen, Feuerwehr und viele weitere ein. Die Bundeswehr schreibt dazu: „Der OPLAN DEU […] legt beispielsweise fest, welche Verkehrswege für den Transport genutzt werden, welche Brücken in Betracht kommen, wo Rastplätze eingeplant sind und wie diese geschützt werden müssen.“ Und auch das neue Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro wird zwar nicht direkt als Rüstungspaket verkauft, aber auch hier wird deutlich, dass diese Gelder ebenfalls der Aufrüstung dienen – in Hamburg wurde in der Debatte in der Bürgerschaft zumindest von Vertretern der CDU ganz offen ausgesprochen, dass es darum gehe, Brücken zu sanieren, damit auch Panzer darüber rollen können.

Mit dem Schauspielern einer Kriegssituation soll zudem vor allem die Stadtbevölkerung auf dieses Szenario eingestellt werden. Gepanzerte Fahrzeuge, die am Küchenfenster vorbeifahren, und Kampfhubschrauber über unseren Köpfen werden normalisiert. Die ganze Stadt wird aktiv auf den Krieg vorbereitet. Man kann davon ausgehen, dass hier nicht nur Abwehr, sondern auch Angriff geübt wird, denn falls die zehnfach überlegene NATO Russland angreifen sollte, müssten auf die gleiche Weise Truppen nach Osten verlegt werden. Dass es auch darum gehen kann, zeigt sich daran, dass ein Teil des „Red Storm Bravo“-Manövers die Unterdrückung einer simulierten Demonstration sein wird. Ist denn wirklich von großen Demonstrationen auszugehen, wenn es um einen Verteidigungsfall geht – oder nicht viel eher, wenn Deutschland wieder in Richtung Osten marschiert?

Deutschland eskaliert mit

Der Feind ist dabei klar: Russland. Selbstverständlich wird das Manöver als reines „Verteidigungsszenario“ geprobt und damit der Bevölkerung weisgemacht, dass ein russischer Einmarsch bald bevorstehen könnte. Diese scheinbar reale Bedrohung soll darüber hinwegtäuschen, dass die NATO mit fast 1,5 Billionen Euro zehnmal so viel für Rüstung ausgibt wie Russland – ein russischer Einmarsch in einen NATO-Staat ist mehr als unwahrscheinlich. Im Gegenteil sind es die NATO-Mächte, die durch ihre aggressive Außenpolitik, Waffenlieferungen und die Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder immer mehr auch militärische Auseinandersetzungen provozieren und es darauf ankommen lassen – auch, um ihre imperialistischen Rivalen China und Russland in neue Konflikte hineinzuziehen.

Dieses Militärmanöver, das den Kriegsfall im Baltikum probt, und die 5.000 jüngst stationierten Bundeswehrsoldaten in Litauen sind Teil dieser Politik und unterstreichen auch Deutschlands imperialistischen Anspruch, zur Führungsmacht Europas zu werden. Während man dies wirtschaftlich längst ist, tut Deutschland seit Beginn des Ukraine-Krieges alles dafür, auch militärische Führung zu übernehmen. Seit der sogenannten „Zeitenwende“ wird Panik vor einem möglichen Angriff Russlands verbreitet und Aufrüstung sowie Kriegsvorbereitungen als alternativlose Notwendigkeit dargestellt. Dass Manöver wie „Red Storm Bravo“ unter dem Schirm der NATO durchgeführt werden, sollte dabei keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass auch die eigenständigen Großmachtinteressen Deutschlands damit befördert werden. Denn zwar ist Deutschland im Szenario von „Red Storm Bravo“ sowie in den übergeordneten Strategien der NATO in erster Linie „Drehkreuz Richtung Osten“, doch in dieser Rolle werden auch die eigenen Rüstungskapazitäten vermehrt und die militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr weiter ausgebaut. Auch die Aufrüstung der NATO zeigt, wie deutsche Interessen in diesen Plänen aufgehoben sind: Die NATO-Staaten haben sich darauf verständigt, zukünftig mind. 5 % ihres BIP für das Militär auszugeben. Für Deutschland wären das mind. 215 Milliarden Euro und damit fast die Hälfte des Bundeshaushaltes – also eine gehörige Steigerung auch des eigenen Militärbudgets.

Deutschland setzt, auch als Teil der NATO, auf Konfrontation und erhöht damit die Kriegsgefahr in einer Welt, in der sich imperialistische Großmächte zunehmend um Märkte, Ressourcen und Handelsrouten auf Kosten der Menschen in aller Welt bekriegen. Mit der angestrebten Wiedereinführung der Wehrpflicht bereitet sich auch Deutschland darauf vor, als imperialistische Macht mit einer schlagkräftigen Armee in der internationalen Politik mitzumischen und seine Interessen auch militärisch durchzusetzen.

Doch dagegen regt sich auch Widerstand: Ein Bündnis unter dem Motto „Keine Kriegsübungen in unserer Stadt – Gemeinsam gegen Red Storm Bravo“ ruft zu einer Demonstration am Freitag, den 26. September, um 18 Uhr auf dem Hamburger Rathausmarkt auf und fordert:

  • Keine NATO-Manöver wie „RED STORM BRAVO“ in Hamburg – Militär raus aus der Stadt!
  • Abrüstung statt Sozialabbau – wir fordern Investitionen in Bildung, Gesundheit und Soziales statt in Kriegsvorbereitungen!
  • Entmilitarisierung des Hafens: Keine Kriegsschiffe in und keine Waffenlieferungen über Hamburg!
  • Kein Werben fürs Sterben – Bundeswehr raus aus den Schulen und dem öffentlichen Raum!
  • Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht: Gegen die Wehrpflicht und Zwangsdienste.