Gesundheitsschutz ja! Notstandsregime nein!


Karikatur von Dhimiter Ligori, Der Nimmersatt, Albanien 1985 (Schilder: Gesundheitswesen, Bildung, Wohnungswesen)

Update!

Angesichts der Gefährlichkeit der Covid-19 Erkrankung und des Corona-Virus sind wir für einen konsequenten Schutz der Gesundheit.

Das bedeutet für uns: ausreichend Schutzmittel wie Masken, Handschuhe, Desinfektionsmittel, Schutzkleidung für alle Risikoberufe im Gesundheitswesen und bei der Pflege sowie ausreichenden Schutz für alle, die arbeiten müssen wie beispielsweise Verkäufer/innen.

Das bedeutet ebenso ausreichende Kapazitäten im Gesundheitswesen für die Erkrankten, ausreichend Beatmungsgeräte, ausreichend Personal.

Daran mangelt es selbst 3 Monate nach dem ersten festgestellten Auftreten des Virus. Die Bundesregierung und ihr Gesundheitsminister Jens Spahn haben viel Zeit mit Sprüchen wie „Wir haben alles unter Kontrolle“ vertan, statt vorzusorgen. Bis heute gibt es nicht genügend Schutzausrüstung.

Seit Jahren wird das Gesundheitssystem kaputt gespart, Kliniken geschlossen, Betten reduziert, Personal abgebaut, ein Prozess der keineswegs beendet ist, wie unsere Meldungen der letzten Tage zeigen

(Vgl. https://www.arbeit-zukunft.de/2020/03/28/spd-gesundheitsexperte-karl-lauterbach-fuer-schliessung-jeder-zweiten-oder-dritten-klinik/ und https://www.arbeit-zukunft.de/2020/03/16/sparkurs-im-gesundheitswesen-geht-auch-in-zeiten-der-corona-krise-weiter/ oder https://www.arbeit-zukunft.de/2020/03/16/bertelsmann-stiftung-will-800-von-1400-krankenhaeusern-schliessen/ )

Schon im Normalfall sind die Kapazitäten mehr als knapp. Die Krankenhäuser sind voll.

Die Bundesregierung hat schon 2012 eine Risikoanalyse für eine Pandemie ähnlich dem Sars-CoV-2-Virus durchführen lassen und hat sie 2013 dem Bundestag übergeben.1)

Daher weiß die Bundesregierung, dass bei ungebremster Ausbreitung die medizinische Versorgung innerhalb weniger Wochen zusammenbrechen könnte. Die Studie ging davon aus, dass es zu mindestens 7,5 Millionen Toten kommt, also fast 10% der Bevölkerung.

Beim aktuellen Sars-CoV-2 ist das Risiko geringer als bei dem Modellvirus der Studie. Aber das Risiko ist immer noch hoch.

Nichts hat die Bundesregierung unternommen, außer mit dem Kaputtsparen weiter zu machen. Der Text des Bundestagsdrucksache (2013!) liest sich, als sei er gestern erst geschrieben worden. Die Sterblichkeitsraten und absolute Zahl der Toten passen zwar nicht, jedoch ist der starke Bedarf an Masken und Schutzausrüstung ausdrücklich aufgeführt. Nicht mal eine Bevorratung solchen Materials hat es gegeben, wie die aktuelle Lage zeigt. Originalton der Studie:

Arzneimittel, Medizinprodukte, persönliche Schutzausrüstungen und Desinfektionsmittel werden verstärkt nachgefragt. Da Krankenhäuser, Arztpraxen und Behörden in der Regel auf schnelle Nachlieferung angewiesen sind, die Industrie die Nachfrage jedoch nicht mehr vollständig bedienen kann, entstehen Engpässe.2)

In Berlin wussten also alle, was da auf das Land zukommen würde. Aber es zählt nicht, dass ganz normale Leute im Ernstfall ein vorbereitetes Gesundheitswesen vorfinden. Es zählen vielmehr massive Einsparung, die Kostenrechnung, der Profit! Die Interessen der Profiteure werden bedient!

Inzwischen suchen bürgerliche Medien natürlich, die Studie herunterzuspielen, z. B. der Bayrische Rundfunk (https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/risikoanalyse-zu-fiktivem-virus-passt-nicht-zu-corona,Rt1wJnT ). Doch vergeblich: Die Risikoanalyse passt zu gut zur aktuellen Pandemie. All das beweist krass, dass die politisch Verantwortlichen ganz andere Interessen verfolgen und vertreten als Gesundheitsschutz für normale arbeitende Menschen.

Dieser Eindruck verstärkt sich umso mehr, als ein ähnlicher Skandal mit gleich katastrophalem Ausgang auch aus Großbritannien bekannt wurde. Da gab es 2016 eine Studie mit ähnlichen Resultaten und keinerlei Folgen außer dem weiteren Kaputtsparen des NHS, des „Nationalen Gesundheitsdienstes“ Der Deutschlandfunk berichtet: „Per Twitter verkündete der britische Abgeordnete Phillip Lee, dass Großbritannien im Oktober 2016 einen Pandemie-Ernstfall in einer Simulation geübt hatte. Damals sei klar geworden, dass das Gesundheitssystem den Patienten-Ansturm nicht überstehen würde. Die Regierung zog keine Konsequenzen...“ ( https://www.deutschlandfunk.de/grossbritannien-die-pandemie-als-uebung-schon-in-2016.1773.de.html?dram:article_id=473754 ).

Die Untätigkeit setzt sich fort. Obwohl es offensichtlich zum systematischem Hamstern von Mangelprodukten (die oft erst durch Hamstern dazu werden!) kommt, gibt es keine klaren gesetzlichen Maßnahmen dagegen. Der offensichtliche Nutzen von Gesichtsmasken wird unvermindert kaputt geredet, anstatt Hersteller zu zwingen zu produzieren und ein Rationierungssystem aufzubauen. Statt dessen wird gejammert, eine Maskenpflicht würde zu weiteren Hamsterkäufen führen. Das ist ein offenes Eingeständnis, dass man das alles „den Marktkräften“, also den kleinen und großen Profiteuern überlässt.

Aber die Gelegenheit zur weiteren Ermächtigung nutzen!

Die, die eine solche Politik zu verantworten haben, spielen sich nun als „Retter“ auf, fordern real aber umfassende Ermächtigungen für sich.

Sie missbrauchen diese ernste Krise kurzerhand dafür, um die Rechte des Staatsapparates auszuweiten und die Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes abzubauen. Das Parlament hat sich praktisch in „Corona-Ferien“ verabschiedet. Bundes- und Landesregierungen herrschen weitgehend mit Notverordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz. Nichts darf mehr in Frage gestellt werden. Politische Aktivitäten sind faktisch weitgehend verboten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der für die Katastrophe im Gesundheitswesen verantwortlich ist, hat sich das Infektionsschutzgesetz vom Bundestag so abändern lassen, dass er nun ohne Parlament Verordnungen erlassen kann. So kann er Zwangsarbeit für medizinisches Personal anordnen. Das Gesundheitsministerium kann jetzt per Rechtsverordnung von allen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes und anderer Gesetze abweichen.

In vielen Bundesländern gibt es ähnliche Gesetzesänderungen.In Mecklenburg-Vorpommern wurde Mitte März im Schatten der Corona-Krise vom Landtag mit den Stimmen der SPD, der CDU und der AfD ein neues Polizeigesetz verabschiedet. Danach dürfen Wohnungen zur Abwehr schwerer Straftaten heimlich überwacht und Smartphones ausgespäht werden. Der grundgesetzliche Schutz der Wohnung wird damit ausgehebelt. (siehe: https://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/mv-landtag-beschliesst-neues-polizeigesetz-1138690803.html?fbclid=IwAR3aYihknc5QII1FyH9aJ6Nl2nuabJWEYNP_XTW3V7VOqaDqFPftTzskX7g)

In Planung ist auch der erste große Bundeswehreinsatz im Innern – mit rund 15.000 Soldaten. Durch das Grundgesetz untersagt, wird nun die Krise genutzt, um den Einsatz von Soldaten als Polizeiersatz zu etwas Normalem zu machen.

Während beispielsweise in Schleswig-Holstein in Flensburg und Kiel kleine Kundgebungen mit rund 15-20 Teilnehmern erlaubt wurden, wurden ähnliche Aktionen in Berlin und Hannover untersagt. In Berlin wurde massiv Polizei eingesetzt. Und das obwohl in allen Fällen ein Abstand von 2 Metern eingehalten und Mundschutz getragen wurde, also keine Gesundheitsgefährdung vorlag. Von der Polizei wurden insgesamt 17 Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz und Widerstandes gegen Beamte eingeleitet. (siehe: https://www.heise.de/tp/features/Wenn-Demonstranten-zu-Gefaehrdern-erklaert-werden-4692869.html)

Wann und wie bzw. ob überhaupt solche einschneidenden Maßnahmen zurück genommen werden, das hängt davon ab, wie entschlossen diese verteidigt oder zurückgefordert, zurück erkämpft werden. Gesetzesänderungen werden auf Dauer in Kraft bleiben, wenn Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte und die demokratische Bewegung in dieser Gesellschaft sich das bieten lassen!

Hintergrund der massiven Aufrüstung des Staatsapparates, des geplanten Militäreinsatzes und der weiteren Beschneidung demokratischer Rechte sind nicht etwa die Ängste vor der Pandemie. Denn dann hätte man sich rechtzeitig um eine Verbesserung des Gesundheitswesens gekümmert. Hintergrund ist die Angst der herrschenden Klasse vor möglichen Unruhen und Widerstand.

Die herrschende Klasse hat Angst vor Unruhen!

In Süditalien (Bari, Neapel und Palermo) haben hungrige Menschen aus den Reihen der Minijobber, Saisonarbeiter, Arbeitslosen bereits Geschäfte geplündert. Sie sind durch die Krisenmaßnahmen so tief ins Elend gestürzt worden, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sahen. Die italienische Regierung antwortete mit einem massiven Einsatz der „Sicherheitskräfte“, sah sich aber zugleich gezwungen Unterstützungszahlungen zu erhöhen.

Im Bundesinnenministerium gibt es bereits ein Strategiepapier, dessen Existenz bestätigt wurde, das „nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“ sei. Einzelheiten sickerten aber durch. Es wird im schlimmsten Fall mit 1,2 Millionen Toten gerechnet! (siehe: https://taz.de/Strategiepapier-des-Innenministeriums/!5675014/) Das könnte natürlich zu Wut und Unruhen führen. Jetzt rächt sich auch für die herrschende Klasse, dass sie das Gesundheitssystem für den Maximalprofit geopfert hat. Sie hat Angst vor den Menschen und braucht ein Notstandsregime, das als „Hilfe“, „notwendig“ den Menschen schmackhaft gemacht werden soll.

Der Spiegel schrieb in einem Bericht vom 29.3.20 über die nun kommende Wirtschaftskrise: „Bald könnte Revolution in der Luft liegen, wenn das so weitergeht. Stellt die deutsche Mittelschicht irgendwann fest, dass ihr Betrieb pleite, ihr Arbeitsplatz verloren oder ihr Aktiensparplan wertlos ist, dann wird sie sich radikalisieren.“ (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-krise-droht-eine-revolution-der-mittelschicht-a-b900b343-fa69-4fb6-98e2-bb0fe4e3615c)

Wir denken dabei jedoch nicht an die Mittelschicht, sondern an die Millionen Arbeiter/innen und Arbeitslosen, die äußerst prekär leben und nun noch tiefer gestoßen werden. Wer nur Mindestlohn oder noch weniger hatte, wovon soll der leben, wenn das wegbricht? Und es wird viel wegbrechen.

Wir haben nun die Aufgabe, für einen umfassenden gesundheitlichen Schutz der Arbeiterklasse und des Volkes einzutreten, zugleich aber demokratische Rechte und Freiheiten zu verteidigen. Darüber hinaus müssen wir darauf vorbereitet sein, dass das Kapital versuchen wird, die Krise auf die Arbeiterklasse sowie das Volk abzuwälzen. Der Kampf dagegen muss jetzt organisiert werden und unser Schwerpunkt sein. Dabei zeigt die Corona- und Wirtschaftskrise sehr deutlich, dass dieses kapitalistische System zerstörerisch ist und beseitigt werden muss! Das können nur die arbeitenden Menschen im gemeinsamen Kampf erreichen!

1) Deutscher Bundestag Drucksache 17/12051 17. Wahlperiode 03. 01. 2013. Unterrichtung durch die Bundesregierung. Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012 –
Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 21. Dezember 2012 gemäß § 18 Absatz 1 und 2 des Gesetzes über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes.

hier speziell die Seiten 5 und 6 sowie Anhang 4

2) Ebenda S. 73