Stuttgart: Solidarität! Freiheitsrechte! Klare Kante gegen Rechts!

Antifaschistischer Hingucker in Cannstatt

Unter diesem Motto demonstrierten mehrere hundert am Samstag-Nachmittag (09.05.2020) vor dem Cannstatter Kursaal in Stuttgart – gegen die von Rechts organisierte Demonstration „Querdenken 711“.

Diese lief gleichzeitig mit tausenden Teilnehmern aus dem ganzen Land auf dem ca. 2 Kilometer entfernten Cannstatter Wasen.

Sie protestierten gegen den Missbrauch der Wut zahlloser Bürgerinnen und Bürger gegen die Corona-Maßnahmen durch offene Nazis, durch rechte Kräfte, die den Protest tausender in die rechte, staatstreue (für das Grundgesetz!), nationalistische und freiheitsfeindliche Bewegung ummünzen wollen und zahllose Verschwörungstheoretiker, die das kapitalistische Wesen der Corona-Krise vertuschen und vom Kern der Sache, dem Kampf gegen das Kapital und das kapitalistische System ablenken.

Abstand und Atemschutzmasken, die öfters schon als Medium für politische Botschaften verwendet werden, prägten das Bild. Eine Erkenntnis einte: Nur Online-Demos, Foto-Aktionen oder Spaziergänge können kein Ersatz sein für sichtbare, dringend notwendige Gegenpositionen auf der Straße.

Der Akkordeon-Virtuose und Sänger Stefan Hiss, selbst massiv betroffen vom Corona-Shut-down, begleitete die Kundgebung mit temperamentvoller Musik.

Protest gegen Rechts vorm Kursaal

Die Kundgebung stand unter dem Eindruck der rechten, nach rechts und zu erklärten Nazis total offenen Massenkundgebung auf Cannstatter Wasen. Rednerinnen und Redner des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart stellten selbstkritisch die Frage nach der Verantwortung auch in der Linken für die entstandene Lage. Keineswegs alle, die sich auf dem Wasen versammeln, seien rechts, viele Kolleginnen und Kollegen seien dort. Warum kann die Linke die berechtigte Wut gegen den unterdrückerischen Charakter zahlreicher Korona-Maßnahmen, gegen den auch wir protestieren, und ihren offenen Klassencharakter nicht aufgreifen, oder, wie eine Rednerin sagte, darauf „kein Angebot“ machen?

Die stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin Baden Württemberg, Hanna Binder gab einen engagierten Bericht vom gewerkschaftlichen Kampf in der Krise für erträgliche und gesundheitlich sichere Arbeitsbedingungen – im Einzelhandel, in Kranken- und Altenpflege, in den Kindergärten und- tagesstätten. Sie entlarvte das geheuchelte „Dankeschön-Gerede“ der Politik und forderte Corona-Prämien für ausnahmslos alle, die in dieser Lage arbeiten müssen, verbesserte Ausbildung, mehr Personal und nachhaltige Entgelt-Steigerungen für die Arbeit dieser Bereiche in Zukunft! Ein deutlicher Aufruf „Klare Kante gegen Rechts!“beschloss ihre kämpferische Rede.

ver.di-Kolleginnen solidarisch!

Der bekannte Stuttgarter Aktivist, Flaneur und Journalist Joe Bauer brach eine Lanze für fortschrittliche antifaschistische Kultur: „Kunst und der Kulturbetrieb sind unverzichtbar für ein humanes Klima und für die Aufklärung in einer halbwegs demokratischen Gesellschaft. Gute Bühnen sind international, antirassistisch, dem Menschsein verpflichtet. Genau deshalb führen die Faschisten heute wie damals ihren hinterlistigen Kulturkampf: Sie wollen unsere Lebensart der Offenheit zersetzen.“

Er wies auf die existenzbedrohende Lage zahlloser Kulturschaffenden hin, warb für breite auch und gerade finanzielle Solidarität. Bauer traf ins Schwarze, als er abschließend rief: „Die Kultur ist schwer angeschlagen. Das gefällt den Rechten. Wer bitte soll verstehen, wenn jede Aufführung auch noch in der kleinsten Bühne aus vernünftigen Gesundheitsgründen untersagt wird – gleichzeitig aber einschlägig bekannte Horrorclowns vor 10 000 Leuten auf dem Cannstatter Wasen ihre von rechts befeuerte Propaganda-Show abziehen dürfen. Angesichts dieser Schmierenkomödianten verabschiede ich mich mit der solidarischen Bitte: Tag für Tag klare Kante gegen rechts!

Auf die schandbare Situation tausender geflohener Menschen in Massenunterkünften Baden-Württembergs bzw. Deutschland machte aufmerksam der Vertreter von „Refugees4Refuggees“, Rex Osa. Politisch verfolgt in Nigeria, flüchtete Osa 2005 nach Deutschland. Das erniedrigende Asylverfahren machte zum politischen Aktivisten. Die Geflüchteten müssten stärker, viel sichtbarer in den Widerstand einbezogen werden! Osas bittere Anklage gilt der Lage in Landeserstaufnahme-Einrichtungen und so genannten AnKeR-Zentren, vor allem in Ellwangen, wo hunderte zusammengepferchte Migrantinnen und Migranten, darunter viele Kinder sich mit SarsCov 2 infiziert haben und unter Ausgangssperre lebten. Er sprach von der Angst und Isolation dort. Er rief auf, vor Ort zu gehen und so die Isolation zu durchbrechen. Das war „klare Kante gegen Rechts!“.

Im Anschluss gingen viele Teilnehmer zur Kundgebung „Querdenken 711“, um sich die Lage anzuschauen und mit den Menschen zu diskutieren, auch von Arbeit Zukunft. In Windeseile waren Zeitungen, Sondernummern und Flyer verteilt. Viele reagierten offen und neugierig.