Ukraine: Was für die Großmächte, die Arbeiter und die Völker auf dem Spiel steht

Aus La Forge 02/2022, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF)

Die Krise um die Ukraine hat viele Facetten: Da ist die geopolitische Dimension, mit der zentralen Frage der NATO-Erweiterung und der Gegenreaktion Russlands; der Einfluss, den der US-Imperialismus in Europa behalten will, die sowohl konvergierenden als auch divergierenden Interessen der imperialistischen Mächte Europas; die Manöver der Türkei… Sie hat auch eine wirtschaftliche Dimension, insbesondere um die Frage der Abhängigkeit der meisten europäischen Länder von Gaslieferungen aus Russland – je nach Land in unterschiedlichem Maße. Dies kristallisiert sich rund um die Gaspipelines Nordstream 1, die seit 2012 in Betrieb ist, und Nordstream 2, die noch auf ihre Inbetriebnahme wartet, heraus. Hinzu kommen die Beziehungen zwischen Russland und China, das einen großen Energiebedarf hat, und die zusammen eine große politische, wirtschaftliche und sogar militärische Bedrohung für die globale Hegemonie des US-Imperialismus darstellen. Zu diesen Herausforderungen, die zu den interimperialistischen Widersprüchen gehören, die sich miteinander verflechten und verschärfen, muss die Frage der Klassenwidersprüche hinzugefügt werden, die Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten und den Völkern, denn letztlich wollen die Imperialisten die Arbeiterklasse, die Arbeiter und die Völker für all diese Krisen bezahlen lassen. In einer Zeit, in der die Wirtschaftskrise mit immer mehr Arbeitslosen, verstärkter Ausbeutung in den Betrieben und überall steigenden Preisen für Konsumgüter große Teile der Arbeiter- und Volksmassen in Armut und Elend stürzen, werden riesige Summen für Rüstung, Militäreinsätze, Menschen und Material ausgegeben. Wenn das Säbelrasseln, das in praktisch allen europäischen Ländern zu hören ist, wenn die intensive Propaganda zur Dämonisierung der „Feinde“, insbesondere Russlands, und der Aufruf zu einem kriegslüsternen nationalen Zusammenschluss darauf abzielen, alle sozialen Probleme, die Tiefe der Wirtschaftskrise und das Unterfangen der Massenüberwachung, das die Regierungen im Zuge der Gesundheitskrise entfaltet haben, zu verdecken, dann gibt es die Kraft der Volksopposition gegen den Krieg und die Kraft der Arbeiter und Volksmassen, die sich weigern, für die Krise zu bezahlen. Auf dieses Bewusstsein müssen wir auf jeden Fall hinarbeiten.

Biden versucht, alle NATO-Mitgliedstaaten stärker hinter die politische und militärische Führung des US-Imperialismus zu bringen, indem er die Karte der Spannungen mit Russland ausspielt. Er drängt sie zu militärischen Engagements und will Deutschland und die anderen EU-Staaten zwingen, sich aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu lösen. Gleichzeitig gibt es zumindest mittelfristig keine echte „Alternative“: Das von den USA, Ägypten, Algerien oder Norwegen produzierte verflüssigte Erdgas (LNG) ist nicht sofort verfügbar, weshalb Experten sagen, dass „in den nächsten zehn Jahren die Abhängigkeit Europas von russischem Gas kaum abnehmen dürfte“.

Putin setzte das Verbot der NATO-Erweiterung um die Ukraine und Georgien an die Spitze seiner Forderungen, denen er den Abzug der Atomwaffen der NATO-Streitkräfte aus Staaten nahe der russischen Grenze hinzufügte. Er verbürgte sich auch für die mehrheitlich russische Bevölkerung in den „selbsternannten“ Republiken Donezk und Lugansk. Was die Krim betrifft, die 2014 nach einem Referendum von Russland annektiert wurde, so gehört sie in den Augen Moskaus zu Russland und ist ein wichtiges militärisches Bindeglied im Schwarzen Meer.

Erdogan verfolgt eine Doppelpolitik: Er verkauft Waffen an die Ukraine (insbesondere Drohnen) und ist auch daran interessiert, sich an ukrainischen Unternehmen zu beteiligen, die auf Flugzeugmotoren spezialisiert sind. Gleichzeitig versucht er, sich als „Heiratsvermittler“ mit Russland zu positionieren, mit dem er gemeinsame Interessen hat (insbesondere in Syrien) und das ihm Gas liefert (40 % des Verbrauchs). Eine Drahtseil-Politik, die sich dennoch auf die Seite der NATO neigt.

Macron setzt seinen „Dialog“ mit Putin fort, den er seit seinem Amtsantritt begonnen hat, der aber selbst nach Ansicht seiner Ministerin Parly keine überzeugenden Ergebnisse gebracht hat. Das hindert ihn jedoch nicht daran, ebenfalls eine Rolle spielen zu wollen, indem er sich als wichtiger Gesprächspartner der beiden Staatschefs zu erkennen gibt, bilaterale Gespräche führt und in die Rolle des „Dirigenten“ der EU schlüpft… Er versucht, dem Konzept der „strategischen Autonomie“ der EU Gestalt zu verleihen, beschließt aber „gleichzeitig“, Streitkräfte im Rahmen der NATO zu entsenden, insbesondere nach Rumänien.