Krankenhausreform: Der Markt macht’s? Kaputt!

Foto: Auf dem Weg zur industrialisierten Krankenhausfabrik; hier Uniklinik Aachen

Im Juni kündigte Gesundheitsminister Lauterbach mal wieder eine „Reform“ an, dieses Mal eine Krankenhausreform. Vollmundig erklärte er, das nehme „ökonomischen Druck“ von den Krankenhäusern. Die Versorgungsqualität würde steigen, die Behandlung verbessert. Lauterbach sprach von einem „Durchbruch“. Lauterbach versprach die Überwindung des Fallpauschalensystems“ und das „Ende der Ökonomisierung in den Kliniken“.

Hinter den Kulissen

Schauen wir einmal hinter die Propagandakulissen:

Aktuell schreiben 32% aller Kliniken einen Jahresverlust. 11% stehen kurz vor der Insolvenz. Ein Jahr zuvor lagen die Zahlen noch bei 22% mit Verlusten und 7% mit Insolvenzgefahr. Dabei handelt es sich zumeist um kommunale oder regionale Kliniken. In den letzten 30 Jahren verschwanden bereits rund 25% der Kliniken. Immer mehr Kliniken gingen an Privatkonzerne. Mittlerweile sind über 40% aller Kliniken in Privatbesitz. Jede zweite Uniklinik ist privatisiert. Tendenz: Weiter steigend! Diese Konzerne krempeln den Krankenhausmarkt um, konzentrieren und monopolisieren immer stärker. Das bringt mehr Profit. Denn diesen Konzernen geht es nicht um Gesundheit, sondern darum mit Krankenbehandlung Geld zu machen. Das muss sich lohnen, also immer höhere Profite bringen.

Alle Beteiligten wissen das, kennen die Zahlen. Der Umwandlungsprozess zu einer industrialisierten Medizin in der Hand weniger Konzerne ist also kein Zufall, sondern Absicht.

Schon im Februar 23 warnte der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, dass eine solche „Reform“, wenn sie wirklich zu einer Verbesserung führen solle, rund 100 Milliarden Euro kosten würde. Er prophezeite, eine „Reform“ ohne Geld führe in eine Katastrophe: „Ein neues Honorierungssystem einzuführen, ohne die Krankenhauslandschaft zu reformieren, führt unweigerlich dazu, dass das gesamte System in wenigen Jahren in eine existenziell bedrohliche Lage geraten würde“.

In Lauterbachs Krankenhausreform ist jedoch nicht mehr Geld eingeplant, sondern nur eine Umschichtung. Ein Nullsummenspiel! Wie das zu einem „Ende der Ökonomisierung in den Kliniken“ führen soll, wird wohl Lauterbachs Geheimnis bleiben. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die „Reform“ wird wegen der hohen Kosten für eine Umstrukturierung das Kliniksterben beschleunigen und den ökonomischen Druck erhöhen. Das wird die Privatisierung des Klinikwesens enorm beschleunigen und den großen Gesundheitsmonopolen mehr Macht und höhere Profite bringen. Das wissen übrigens auch die Bundesregierung und der Gesundheitsminister. Lauterbach meinte dazu gegenüber der Wochenzeitung „Zeit“: „Wir stehen wirklich am Vorabend eines Krankenhaussterbens… Es werden leider auch Kliniken sterben, die gar nicht mal schlecht sind… Wir können die Kliniken nicht noch einmal per Gießkanne retten.“ Na klar! 100 Milliarden für die Bundeswehr? Kein Problem! 2% des BIP für die Bundeswehr? Ebenfalls kein Problem! Geld für das Gesundheitswesen? Dafür ist nichts da!

Was wird sich verbessern? Was verschlechtern?

Eine Verbesserung wird es tatsächlich geben, allerdings nur für Patienten, die in der Nähe der spezialisierten Kliniken wohnen, also in den Großstädten. Es ist nachgewiesen, dass durch eine Spezialisierung die Zahl der Behandlungsfehler sinkt, weil mehr Routine besteht.

Problematisch ist das Kliniksterben allerdings für alle Menschen, die lange Anfahrtswege zu den neuen Zentren haben. Wer als Notfall mit einem Schlaganfall eingeliefert werden soll, ist auf eine rasche Behandlung und einen schonenden Transport angewiesen. Durch den Transport können sogar weitere Schäden entstehen. Je länger der Weg und die Dauer, umso mehr steigt das Risiko! Was ein Teil also an Behandlungsqualität gewinnt, verliert ein anderer Teil. Das Transportrisiko wiegt sogar insgesamt stärker als das Risiko eines Behandlungsfehlers durch mangelnde Routine. Insgesamt wird die Versorgung also schlechter, obwohl sie „besser“ wird. In den Ankündigungen der Regierung jedoch wird allein die Qualitätsverbesserung durch Spezialisierung hervorgehoben, die Nachteile verschwiegen.

Hinzu kommt, dass schon jetzt Behandlungsplätze knapp sind. Bereits im Januar hatten wir angeführt: „Prof. Dr. Feldhahn berichtet weiter: ´Neulich wurde ein Kind anderthalb Stunden aus Albstadt zu uns gefahren, das zuvor in drei Kliniken abgewiesen worden war.` Er kritisiert, dass es im Klinikbereich nur darum ging, kostengünstig zu arbeiten.“ Und das ist kein Einzelfall! Wartezeiten für OPs sind lang. Notfälle werden kilometerweit herumgefahren, bis sich schließlich eine Klinik erbarmt. Oder es platzen OP-Termine, beispielsweise weil keine künstlichen Hüft- oder Kniegelenke da sind. Hier hat der Markt dazu geführt, dass solche Teile international an den Meistbietenden zuerst verhökert werden. Warum sollte ein Prothesenhersteller ein Kniegelenk für 7.500 Euro hergeben, wenn er aktuell in den USA dafür 40.000 erhält? Auch bei 7.500 Euro, wie in Deutschland üblich, macht er Profit. Aber mehr Profit ist halt schöner! Erst, wenn man einen Überschuss hat, verkauft man auch für 7.500 Euro.

Mit dem Wegfall von immer mehr Krankenhausbetten werden die Wartezeiten auf OPs länger. Die Bundesregierung will das durch noch kürzere Liegezeiten „ausgleichen“. In den letzten 30 Jahren hat sich die Verweildauer in Krankenhäusern rund halbiert und lag 2021 bei 7,2 Tagen. Das soll weiter gesenkt werden. Selbst bei schweren OPs sollen die Patienten schnellstmöglich raus! Damit steigt das Risiko von Komplikationen.

Von wegen „Ende der Ökonomisierung“! Die Ökonomisierung ist im vollen Gange und wird schlimmer – auch durch die Krankenhausreform der Bundesregierung. Wie soll das anders im Kapitalismus laufen? Propagandasprüche und Luftblasen der Regierung bringen nichts, im Gegenteil! Wann immer da von „Reform“ gesprochen wird, wird es teurer oder schlechter oder beides!

Ein „Ende der Ökonomisierung“ wird es nur geben, wenn der Kapitalismus beseitigt und die Interessen aller arbeitenden Menschen die Grundlage für die Ökonomie und die Gesellschaft sind.

Wir wiederholen hier unsere Forderungen vom Januar 2023:

Solange das noch nicht möglich ist, werden wir aber auch jede Reform unterstützen, die das Gesundheitswesen vergesellschaftet.

So fordern wir:

  • Eine Einheitskrankenkasse für alle schaffen und alle Patienten gleich behandeln! Privatabrechnung muss abgeschafft werden!
  • Alle Krankenhäuser vergesellschaften und die privaten Konzerne enteignen!
  • Die Pharmakonzerne vergesellschaften und enteignen!
  • Die Zahl der Ausbildungsplätze für Ärzt/innen und Pflegekräfte drastisch erhöhen, bei gleichzeitiger Verpflichtung eine Mindestzeit im öffentlichen Gesundheitswesen zu arbeiten!
  • Die Tariflöhne für Pflegekräfte sofort um mindestens 20% erhöhen und die Arbeitszeit schrittweise senken!