Ein bisschen Fakten-Check zur Hetze des Herrn Merz

Herr Merz will bekanntlich den arbeitenden Menschen dieses Landes weismachen, dass die Flüchtlinge das allergrößte Problem sind, dass sie die Versorgung der Leute gefährden etc. etc. Hier wörtlich „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine. Was Sie [die Regierung – die Red.]hier machen, ist eine Katastrophe für dieses Land

Hier mal ein paar Fakten, die zeigen, wie übel und demagogisch die Hetze des Herrn Merz ist.

Von den ca. 108 Mio weltweit vertriebenen oder flüchtenden Menschen (2022; Quelle UNHCR) sind rund 62,5 Millionen innerhalb des eigenen Landes auf der Flucht (Binnenflüchtlinge).

Die großen Fluchtbewegungen in Afrika finden weitgehend in Afrika statt. Im Südsudan oder in Kenia gibt es Flüchtlingslager, ganze Städte, meist betrieben von UNHRC (Uno-Flüchtlingshilfe): Zelte bis zum Horizont.


Ein Flüchtlingslager in Südsudan, eines der ärmsten Länder: Luftaufnahme von Camp Bentiu. Qelle: Screenshot Welthungerhilfe:
https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/klima-ressourcen/migration-aus-afrika-bleibt-meist-in-afrika

Angesichts der gewaltigen und wachsenden Zahlen sind 240.000 Asylantragsteller in Deustchland ein Rinnsal! Das kann, politischen Willen vorausgesetzt, dieses Land schaffen. Wenn z. B. nur ein Drittel des bundesweiten Wohnungsleerstandes, der 2021 mit 1, 7 Mio (!!!) beziffert wurde (Quelle: https://www.empirica-regio.de/blog/230731_leerstand_wohnungsmarkt/ ) herangezogen würde, könnte zumindest ein erheblicher Teil des Unterbringungsproblems gelöst werden, im Übrigen gilt das auch für die gesamte Wohnungsnot im Land. Aber die Interessen der kapitalistischen Immobilienwirtschaft sind den herrschenden Kreisen und ihren Parteien offensichtlich wichtiger.

Hier nochmal die Asylantragszahlen der letzten Jahre, die Zeigen, dass die Geflüchteten-Zahlen eher gemäßigt sind und weit entfernt sind vom „Rekord“-Jahr 2016:

Screenshot von statista.de

Die größten Aufnahmeländer von Flüchtlingen:

Erst an vierter Stelle kommt Deutschland!

Die Türkei beherbergt 3,6 Millionen Geflüchtete,

Die Islamische Republik Iran – 3,4 Millionen

Kolumbien – 2,5 Millionen

Dann erst kommt Deutschland mit 2,1 Millionen

Saldo der Migration:

Wovon nie geredet wird: Es kommen nicht nur Menschen ins Land, es gehen auch viele. Im genannten Zeitraum 2015 – 2022 (für 2023 liegen noch keine Zahlen vor) kamen rund 12,3 Mio. Nichtdeutsche ins Land, in der gleichen Zeit verließen es aber rund 7,17 Mio. Menschen ohne deutschen Pass. Es wird nicht erfasst, welcher Anteil davon Geflüchtete sind, die aber sicherlich dabei sind.

Im Saldo ist das ein Plus von grob 5,13 Mio., also Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft „netto“. Die Zahlen (oben!) der Asyl-Antragsteller (Zeitraum 2015-2022) betragen rund 2,12 Mio, ergeben also nicht einmal die Hälfte davon. Was für eine elende, demagogische Panikmache, Herr Merz! Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Wanderungen/Tabellen/wanderungen-alle.html#fussnote-2-115678

Was ist eigentlich mit den Flüchtlingen aus der Ukraine?

Hier ein paar Zahlen für 2022: Laut Statistischem Bundesamt sind 2022 (Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor) insgesamt rund 2,67 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert, rund 2,48 Millionen von ihnen hatten einen ausländischen Pass. Also grob gerechnet 10 Mal soviele wie asylsuchende Geflüchtete (vgl. das Schaubild oben). Ca. 1,2 Millionen Menschen aber sind in 2022 weggewandert. Damit lag die „Nettozuwanderung“ bei rund 1,46 Millionen Personen. Das ist zwar viermal so hoch wie in 2021. Hauptgrund freilich ist laut Statistischem Bundesamt die Fluchtmigration aus der Ukraine.

Schutzsuchende aus der Ukraine werden aber bei den Zahlen der Asylanträge nicht mitgezählt, da sie keinen Asylangtrag stellen müssen. Sie werden so aufgenommen, sind privilegiert, d.h. Deutschen gleich gestellt, und laut Bundesregierung, aber auch laut den Ampelparteien und CDU/CSU aus politischen Gründen ausdrücklich willkommen. Herr Merz, könnte es sein, dass sich die eine oder der andere aus der Ukraine bei Ihrem Zahnarzt auch „die Zähne machen lässt“? Und Sie kriegen schon wieder keinen Termin?

Die Zähne machen lassen?

Asylbewerber und Geduldete erhalten lautAsylbewerberleistungsgesetz zahnärztliche Behandlungen nur, wenn eine akute Erkrankung vorliegt. Zahnersatz bekommen die Geflüchteten nur dann, wenn „dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist“.

Die Bundeszahnärztekammer orakelt in einem Info-Blatt für Zahnärzte: „Dabei kann der Behandler in einen ethischen Konflikt geraten, wenn mögliche zahnerhaltende Maßnahmen nicht finanziert werden.“ Aha, das Risiko, dass die Behörden die Behandlung nicht bezahlen, scheint also real zu bestehen, Herr Merz! Und der Text geht weiter: „Unter Umständen berechtigt erst der akute Schmerzfall eine Behandlung.“ Der nächste Satz macht deutlich, in was für Grenzsituationen Zahnärzte dabei anscheinend geraten können: „Der Zahnarzt ist verpflichtet…die Menschenwürde und insbesondere die Menschlichkeit in jedem Fall zu achten.“ Müssen sich Betroffene erst vor Schmerzen winden, damit etwas passiert?

Kommen hier Geflüchtete mit vielen Zahnlücken an, die sie im Alltag nicht weiter behindern, so haben sie gar keinen Anspruch auf Zahnersatz, ausnahmsweise dann, wenn Betroffene Probleme bei der Nahrungsaufnahme haben: Das wäre dann Krankheit, was eine zahnärztliche Behandlung rechtfertigt. Zahnersatz heißt aber auch dann: nur die billigste Standardvariante!

Nach 18 Monaten – Ja mit Einschränkungen, die auch für deutsche Arbeiter/innen gelten

Nach 18 Monaten in Deutschland haben auch Geflüchtete ohne Aufenthaltstitel (also abgelehnte Asylbewerber und Geduldete) Anrecht auf eine Gesundheitsversorgung, die mit den Leistungen der Versicherten in einer gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sind.

Zu diesem Zeitpunkt haben aber auch viele einen Job und zahlen selbst Sozialversicherungs-, also auch Krankenkassenbeiträge. Das wird völlig übergangen in der aufgeheizten Debatte. Derzeit haben 625.300 Menschen aus Asylherkunftsländern eine Beschäftigung (Stand: Juni 2023), die meisten von ihnen in sozialversicherungspflichtigen Stellen (536.500). Die Zahl der Geflüchteten in Arbeit steigt in den letzten Jahren deutlich weiter an.

Und diese Kolleginnen und Kollegen haben dann jawohl auch Anrecht auf die Leistungen, die allen Versicherten zustehen. Aber da beginnt ein ganz anderes Problem mit den Zahersatzleistungen und das haben Deutsche wie Zugewanderte gemeimsam: Die Krankenkassenleistungen für Zahnersatz sind grottenschlecht. Will man eine halbwegs anständige Versorgung, ist das mit teuren Zuzahlungen aus der eigenen Tasche verbunden! Herr Merz, Privatpatient, hat dies Problem freilich nicht!

Andere Geflüchtete, die keine Arbeit haben, bekommen nach 18 Monaten ebenfalls eine Gesundheitskarte. Die Kosten trägt dabei weiterhin das Sozialamt. Grundsätzlich haben sie damit Anspruch auf Zahnersatz wie jeder andere Versicherte auch. Aber auch sie müssten entweder, genau wie alle Versicherten, einen hohen Anteil der Behandlungskosten selbst übernehmen, aber bitte, woher nehmen? Sie haben bestenfalls Bürgergeld, haben sie Kinder, trotzdem kein Kindergeld. Weil dem Großteil der Geflüchteten – genauso wie vielen Arbeiterinnen und Arbeitern oder Angestellten im Niedriglohn – dafür in der Regel die finanziellen Mittel fehlen, greift die Härtefallregelung: Die Kosten werden bei Betroffenen in Arbeit von der Krankenkasse, bei beschäftigungslosen vom Sozialamt übernommen: allerdings nur für eine „solide Standardlösung“, nicht für höherwertigen Zahnersatz, also wie gehabt, für die billigste aller billigen Kunst-Zähne. Für sie gelten da aber die gleichen Regeln wie für bedürftige Deutsche.

Statt sich von Kapitalistenvertretern wie CDU-Merz (vor Kurzem noch Hedge-Fond-Manager) gegeneinander aufhetzten zu lassen, sollten wir uns zusammenschließen! Deutsche und Zugewanderte gemeinsam für eine bessere (zahn)medizinische Versorung für alle arbeitenden Menschen.