DGB-Friedensposition unter Feuer

Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg, vor 75 Jahren der Zweite. Beide Jahrestage machen den diesjährigen Antikriegstag zu einem zentralen Tag der Erinnerung und des Mahnens. Auch heute gilt: Kriege kommen nicht über uns – sie werden gemacht. Gewalt geht von Menschen aus – und trifft Menschen. Sie werden getötet, verwundet und vertrieben. Ihr Leben wird bis in die Grundfesten erschüttert – während andere aus Kriegen Profite schlagen oder ihre Machtinteressen durchsetzen. Daran erinnern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften seit 1957 nicht nur am Antikriegstag: Nie wieder darf Krieg von deutschem Boden ausgehen.

Die im Grundgesetz festgelegte Aufgabe der Bundeswehr zur Landesverteidigung wird seit Jahren in Richtung internationaler Interventionen verschoben. Der DGB sieht dies kritisch und fordert die Bundesregierung und den Bundestag auf, weder direkt noch indirekt militärische Interventionen zu unterstützen, die nicht von einem UN-Mandat gedeckt sind.

Zitat aus dem Aufruf des DGB zum Antikriegstag von 2014

Der 10 Jahre alte Aufruf des DGB erscheint heute wie aus einem anderen Zeitalter. Aktuell diskutiert die Bundesregierung über die Lieferung von Marschflugkörpern und die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Im Rahmen des NATO-Manövers Steadfast Defender marschieren deutsche Soldaten an der russischen Grenze auf. Der Einsatz von Atomwaffen liegt im Bereich des Möglichen. Wo bleiben die Gewerkschaften?

In Italien, Frankreich, Griechenland und Weissrussland haben Hafenarbeiter und Eisenbahner den Transport von militärischen Gütern, wie Waffen und Munition behindert. Aus Deutschland fehlen Nachrichten über antimilitaristische Aktionen der Arbeiterklasse. So wird Bremerhaven immer mehr zur Drehscheibe von schweren Waffen, wie Panzern. Mehrere hundert Schiffe mit Kriegsmaterial für die Ukraine sind bereits aus den USA eingetroffen. Streikende Werftarbeiter, protestierende Gewerkschaften – Fehlanzeige in Deutschland.

In der Erklärung des DGB zum Antikriegstag im ersten Kriegsjahr 2022 wird ganz patriotisch die Kriegsschuld beim Feind verortet „Russlands autokratisches Regime verfolgt eine brutale Politik der militärischen Konfrontation und Eskalation.“ Eine eindeutige Forderung an unsere Regierung, die Kriegshandlungen einzustellen, fehlt. Im zweiten Kriegsjahr 2023 fordert der DGB konsequenterweise die russische Regierung auf, die Truppen zurückzuziehen. Für die überwiegend pazifistischen Mitglieder wird das Ganze mit unverbindlichen friedenspolitischen Forderungen umrahmt. An Peinlichkeit kaum zu überbieten ist jedoch Forderung an die Bundesregierung „Haben Sie den Mut, mehr Diplomatie zu wagen!“ An dieselbe Bundesregierung, welche zur militärischen Führungsmacht in Europa aufsteigen will.

Gegen die Solidarisierung der Gewerkschaften mit der Kriegspolitik der Bundesregierung formiert sich Widerstand. Zum Gewerkschaftstag von Verdi im September 2023 forderten über 10.000 Mitglieder und Gewerkschaftsfunktionäre mit einer Petition ein deutliches „Nein zu Krieg, Militarismus und Burgfrieden“. Die Kolleginnen und Kollegen wurden mit Verfahrenstricks ausgebootet und konnten sich nicht durchsetzen.

1999 während der Zerstörung Jugoslawiens durch Militärs der NATO-Staaten, begonnen auf Initiative Deutschlands, hatten der damalige DGB-Vorsitzende Dieter Schulte und der Bundesvorstand des DGB den NATO-Kriegseinsatz befürwortet. Es zeigt sich immer wieder, dass das führende Personal der Gewerkschaften unzertrennlich mit dem bürgerlichen Staat und dessen Interessen verwoben ist.

Erinnert sei an die Unterwerfung des Vorläufers der DGB-Gewerkschaften, dem ADGB unter die Diktatur von NSDAP und Deutschnationaler Volkspartei. Anfang Februar 1933 erklärte die Führung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) ihre politische Neutralität gegenüber dem Regime. Nachdem am 1. Mai 1933 die Gewerkschaften mit der Regierung den Tag der nationalen Arbeit feierten, wurden am nächsten Tag die Gewerkschaftshäuser gestürmt und viele Funktionäre festgenommen, verschleppt und gefoltert. Zu viele Gewerkschafter bezahlten diesen politischen Fehler mit ihrem Leben.

Im Oktober 2023 trafen sich 421 Delegierte zum Gewerkschaftstag der IG Metall. Der zweite Vorsitzende der IG Metall Jürgen Kerner outete sich als Mann der Rüstungsindustrie: „Ich bin der festen Ansicht, dass wir diese Branche in Deutschland und Europa halten müssen“. Im Gegensatz zu ihm forderte eine Vielzahl von Gewerkschaftsgliederungen mit Änderungsanträgen ein klares Bekenntnis der IG Metall gegen den Krieg und gegen Waffenlieferungen. Die anschließend einstimmig angenommene Erklärung >Für eine verantwortliche Politik für Frieden und Sicherheit< setzt jedoch die Anpassung der deutschen Gewerkschaften an die Kriegspolitik der Regierung fort. Auch wenn einige Stellen des Leitantrages entschärft wurden, wird laut IG Metall ausschließlich von der russischen Führung Tod, Leid und Zerstörung über die Zivilbevölkerung gebracht. Als ob es nur eine Seite der Front gäbe.

Nach dem 2. Weltkrieg war sich die deutsche Bevölkerung einig, nie wieder darf Krieg von deutschem Boden ausgehen. Heute muss die Arbeiterklasse erneut in den Betrieben und Stadtteilen Widerstand gegen die Politik der Kriegsertüchtigung organisieren, Dort wo es möglich ist, gemeinsam mit den Gewerkschaftsgliederungen und Friedensorganisationen. Allerdings führt ein Abwarten von Gewerkschaftsbeschlüssen nur in die Schützengräben. Ein zentraler Punkt wird die Mobilisierung der jungen Kolleginnen und Kollegen, als auch der Gewerkschaftsjugend gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und jegliche Form der Dienstpflicht sein.

Levi