Verhandlungen und Protest zum hessischen Hochschulpakt

Hessen wehrt sich!

Gewerkschaften, Beschäftigte und Studierende gegen den Angriff auf Arbeit, Forschung und Bildung

Aktuell laufen die Verhandlungen im Land Hessen über den hessischen Hochschulpakt für die Jahre 2026-2031. Der Pakt wird alle fünf Jahre neu verhandelt und bestimmt, wie viel Geld die Hochschulen aus dem Landeshaushalt bekommen. Anfang Juni stellte der hessische Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur Timon Gremmels (SPD) den Hochschulleitungen erstmals konkrete Zahlen vor und der Aufschrei seitens der Gewerkschaften und Studierenden und Beschäftigten ist zu Recht groß.

Denn die ohnehin schlechten Bedingungen für die Angestellten und Studierenden an den Hochschulen und Universitäten drohen sich noch über die in den letzten Jahren durch die Profitmaximierungsstrategien der herrschende Klasse vorangetriebene Verarmung der Gesellschaft hinaus zu verschlechtern. Der Handlungsbedarf ist immens und vor allem dringend, denn der Staatshaushalt ist schon klar auf Kriegskurs gerichtet und die arbeitende Masse soll dafür aufkommen.

Geplante Kürzungen von rund einer Milliarde Euro für hessische Hochschulen

Es lohnt ein genauerer Blick auf die Finanzierungslage der Hochschulen und die angestrebten Pläne des Lands Hessen: Trotz dauerhaft steigender Personalkosten in Höhe von über 60 Millionen Euro jährlich, die ab 2026 auf die 14 staatlichen Hochschulen zukommen, ist geplant, das Budget im Rahmen des Übergangs zum neuen Hochschulpakts für die Jahre 2026 und 2027 sogar unter das Niveau von 2025 zu senken. Und auch die ab 2028 vorgesehenen jährlichen Budgetsteigerungen von durchschnittlich 2,12 Prozent im Vergleich zu 2025 reichen bei weitem nicht aus, um die Mehrkosten auszugleichen, so wird es auch in der gemeinsamen Pressemitteilung der hessischen Hochschulpräsidien betont. In ihrer Erklärung warnen diese vor einer strukturellen Unterfinanzierung. Insgesamt erwarten die Hochschulen bis zum Ende der Laufzeit des Pakts im Jahr 2031 ein Finanzierungsdefizit von etwa einer Milliarde Euro und das entspricht einem jährlichen Fehlbetrag von rund 167 Millionen Euro oder etwa zehn Prozent des Personaletats, was die schlechter werdende Qualität der Lehre und die unsichere Lage der Beschäftigten an den Universitäten massiv befeuern und Stellenabbau bei wissenschaftlichem und nichtwissenschaftlichem Personal in hohem Ausmaß zur Folge haben wird.

Da die steigenden Kosten sofort anfallen, die zusätzlichen Landesmittel jedoch erst ab 2028 bereitgestellt werden, entsteht eine zeitliche Finanzierungslücke. Diese Verzögerung und allgemein die vorangetriebene Unterfinanzierung erschwert es den Hochschulen, ihre Zahlungsfähigkeit aus eigener Kraft aufrechtzuerhalten und öffnet und erweitert so direkt den Weg des Militärs in die Hochschulen durch die vergrößerte Angewiesenheit auf Drittmittelfinanzierung. Das bedingt auch verstärkte Angriffe auf die erkämpften Zivilklauseln an den hessischen Universitäten, wodurch die Notwendigkeit einer gestärkten antimilitaristischen Bewegungen innerhalb des Kollegiums und der Studierendenschaften weiter wächst.

Gewerkschaften und Studierendenvertretungen organisieren Protest gegen Sparkurs

Bereits im Mai bei der Abschlusskonferenz ihres 30. Gewerkschaftstags forderte die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) massive Investitionen in den Bildungsbereich: „Wir brauchen mindestens 130 Milliarden Euro aus einem Sondervermögen und jährlich zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung“ (GEW-Vorsitzende Maike Finnern). Außerdem wurde herausgestellt, dass der Zugang zu guter Bildung nicht von Herkunft, Wohnort oder Geldbeutel abhängen darf. Im Zuge der Verhandlungen und vorgesehenen Kürzungen des Hochschulpakts mobilisierte kürzlich ein breites Bündnis aus Gewerkschaften (allen voran die GEW), den Personalräten und Studierendenvertretungen, die die Interessensvertretungen von insgesamt 20.000 Beschäftigten und rund 240.000 Studierenden in Hessen bilden, sowie mehreren Hochschulgruppen Kundgebungen und Demonstrationen. „Hessenweit haben die Hochschulbeschäftigten und Studierenden heute gezeigt, dass sie den von der Landesregierung eingeschlagenen Sparkurs ablehnen”, das sagte die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, Simone Claar nachdem am 18. Juni hessenweit 3000 Hochschulbeschäftigte und Studierende an Demonstrationen teilgenommen hatten und gemeinsam auf die Straßen Hessens getreten waren. Vorangegangen waren bereits Protestaktionen an der Universität Kassel, an der TU Darmstadt und eine Kundgebung an der Universität Marburg, bei denen insgesamt rund 450 Studierende und Beschäftigte nach Angaben von Verdi zusammenkamen.

Kassel

In Kassel versammelten sich etwa 800 Teilnehmer zu einer Kundgebung vor der Mensa der Universität Kassel. Neben Vertretern der Landesastenkonferenz sprachen auch Vertreter des Personalrats der Uni, der Initiative studentische Hilfskräfte und zwei Vertreter der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). In allen Beiträgen wurde deutlich, wie schlecht die Situation an der Uni bereits jetzt schon ist. Die Vertreter der Studierenden betonten den Unwillen der Landespolitiker, sich mit den studentischen Interessensvertretern auseinanderzusetzen. Die Redebeiträge des Personalrats, stellten die Einsparungen im Bereich Bildung in den Zusammenhang mit den Kürzungen im Bereich Soziales, die den Nährboden für den zunehmenden Rechtsruck bieten. Vertreter des studentischen Hilfskräfterats und der Gewerkschaften kritisierten vor allem die jetzt schon schwierige Lage für Studierende und Beschäftigte, insbesondere Studentische Hilfskräfte, Wach- und Reinigungspersonal. Für Hilfskräfte, die als Sachmittel mit kurzfristigen Verträgen und ohne betriebliche Mitbestimmung angestellt sind, sei die Solidarität der Studierenden und Beschäftigten an der Universität entscheidend. Für alle Beschäftigten an der Universität sei deutlich abzusehen, wie sich die Arbeitsbedingungen durch die geplanten Kürzungen verschärfen. Wer von den Kürzungen profitiert, machten die Vertreter der Gewerkschaften sehr deutlich, die den Kriegskurs und die zunehmenden Militärausgaben der Bundesregierung scharf kritisierten und ihren Beitrag mit der Forderung: „Hoch mit der Bildung, runter mit der Rüstung!“ beendeten.

Gießen

Studierende der Justus-Liebig-Universität (JLU) und der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) zogen mit zwei Demonstrationszügen vom jeweiligen Campus durch die Innenstadt Gießens und schlossen sich abschließend zu einer großen Kundgebung zusammen. Auch aus Marburg waren unterstützend Gruppen und Organisationen wie die Marburger Hilfskraftinitiative, der SDS Marburg und der Internationale Jugendverein Marburg angereist. Rund 1000 Studierende und Mitarbeitende der Hochschulen protestierten auch hier gegen den Entwurf zum Hochschulpakt der hessischen Landesregierung und stellten sich gegen die geplanten Kürzungen. In den Redebeiträgen der GEW-Studis, weiterer studentischer Stimmen aus dem Fachschaftsrat der JLU oder der DGB-Jugend Mittelhessen prangerten die Vertreter auch die zum aktuellen Zeitpunkt bereits unzureichende Finanzierung der Hochschulen, die schlechten Arbeitsbedingungen und die mangelnden Studienbedingungen an. Durch laute Rufe der demonstrierenden Menge wie „Mit der Rüstung seid ihr fix – für die Bildung tut ihr nix“ oder „Hoch mit der Bildung – runter mit der Rüstung“ wurde auch der Zusammenhang zwischen der Aufrüstung und dem Sozialabbau hergestellt. Bezeichnend war die hohe Teilnehmerzahl auch unter Studierenden der Technischen Hochschule Mittelhessens und der Zusammenschluss der beiden Demonstrationszüge. So wurde deutlich, dass die Hochschulgemeinschaften von THM und JLU an diesem Tag und darüber hinaus in aller Deutlichkeit gemeinsam kämpferisch und solidarisch mit den Studierenden und Beschäftigten in ganz Hessen stehen.

Frankfurt am Main

In Frankfurt waren 1000 Menschen vor Ort und der Kurs war klar, gegen Krieg und Aufrüstung und für bessere Lebensbedingungen der breiten Masse!

Erstaunlicherweise war festzustellen, dass zumindest in Frankfurt unter den mobilisierenden Kräften auch die Unileitung selbst zu finden war. In einer Mitteilung an alle Studierenden und Beschäftigten wurde zur Beteiligung aufgerufen, während vor nur einem Kalenderjahr gegen den Völkermord in Palästina protestierende Studierende mit polizeilicher Gewalt und juristischen Konsequenzen vom Campus vertrieben wurden. Die dadurch aufgeworfene Frage, wieso gerade nun auch von offizieller Seite zu Protesten aufgerufen wird, lässt sich anhand der mit sämtlichen Titeln wie Professor, Doktor ausgestatteten Redner, wie etwa Melanie Wald-Fuhrmann, beantworten. Kein Wort zugunsten der Studierenden, deren Lebensbedingungen sich nicht erst seit der gerade eintretenden Finanzierungslücke verschlechtern, sondern idealistisches Geschwätz über ein systemstabilisierendes Wissenschaftsideal, welches mit einer „demokratiefördernden“ Wirkung umschrieben wurde. Kein Wort über Rüstungsforschung, sondern eine Vertuschung der Korrelation zwischen Aufrüstung und Sozialabbau mit einer vermeintlichen Komplizierung, „so einfach lasse sich der Schuldige nicht woanders finden“. Nur weil die Finanzierungslücke mittlerweile so eklatant ist, dass sich sogar die Positionen höherer Bediensteter in Gefahr befinden, scheint bei dieser Gruppe ein Handlungsbedarf aufzukommen. Klar zu erkennen war dabei die Diskrepanz zu Rednern aus Reihen der Studierenden, welche mehrheitlich klar antimilitaristische Positionen eingenommen haben und unter zähneknirschenden Blicken der zuvor genannten Gruppe die Doppelmoral des Umgangs der Universitätsleitung mit Protestierenden entlarvt haben. Ein inhaltlicher Aspekt blieb aber weiterhin tabu: die klare Positionierung gegen die Deutsch-Israelische Staatsräson. Insbesondere in den Reihen der Gewerkschaften war ein deutlicher Unterschied zwischen den von den Jugendvertretern vorgetragenen Positionen und denen der ihnen übergeordneten zu erkennen.

Dem Bildungsnotstand den organisierten Kampf ansagen
Deutlich wird durch die hessenweiten Hochschulproteste vor allem: Studierende und Angestellte dürfen sich nicht auf die Erlaubnis von oben, jetzt nun auch mal demonstrieren zu dürfen, verlassen. Der Kampf mit den Gewerkschaften, aber auch in diesen von unten, ist unerlässlich. Von besonderer Bedeutung ist es dabei, eine Brücke von Studierenden und den Bediensteten über einen theorieanalytischen Blick hinweg aus deren tatsächlich sich verschlechternden materiellen Bedingungen mobilisierend hinein in den Klassenkampf und zu den Gewerkschaften hin zu bilden. Der Zusammenschluss aus Gewerkschaften, Studierendenvertretungen, den Studierenden und Beschäftigten an den Hessischen Hochschulen ist daher als ein starker Auftakt für einen organisierten Widerstand gegen den Kriegskurs und die massiven Auswirkungen der Sparmaßnahmen im Bildungsbereich zu werten. Der gemeinsame Kampf der Gewerkschaften, Beschäftigten und Studierenden gegen die wachsenden Angriffe auf Arbeit, Forschung und Bildung muss weitergehen.