Stuttgart: 13. bis 15. November – Konferenz „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“

Überraschend voll war der große Saal des Gewerkschaftshauses in Stuttgart bei der Eröffnung der Konferenz „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“ am Freitagabend, dem 13.11. Im Saal gab es keinen freien Platz mehr und vor der Tür standen immer noch Gruppen in Diskussionen vertieft.

Nach einem Auftritt des „Freien Chors“ begann die Konferenz mit einer Vorstellungsrunde verschiedener sozialer Initiativen und Organisationen. So sprach z.B. ein Vertreter der Initiative „Gendreck weg“ über so genannte „Feldbefreiungen“, bei denen von Mitgliedern der Gruppe Genpflanzen ausgerissen werden. Er berichtete, dass derzeit Mitglieder der Gruppe im Gefängnis sitzen, und meinte weiter, dass ein Widerstand gegen die Herrschaft der kapitalistischen Verwertungszwänge nur möglich sei, wenn man auch über die Gesetze hinausgehe, die die Genlobby in diesem Staat durchsetze. Ein Vertreter von Karawane berichtete über diese Initiative aus Flüchtlingen und Deutschen und ihre Arbeit gegen die „Festung Europa“ und deren menschenverachtende Einwanderungspolitik bzw. Abschottungspolitik. Ein Student vom AK Bildungsstreik der Uni Stuttgart berichtete lebendig über den gerade statt findenden Bildungsstreik und die Mobilisierung an den Unis.

Bernd Riexinger, verdi-Sekretär in Stuttgart, setzte sich grundsätzlich mit dem kapitalistischen System und der derzeitigen Krise auseinander. Er forderte eine „Transformierung“ der Gesellschaft, die mit der Enteignung der Banken beginnen müsse. Starken Beifall erhielt er, als er sich jedoch mit konkreten Aufgaben beschäftigte. So forderte er unter großer Unterstützung aus dem Saal die Abschaffung von Hartz IV, die Rücknahme der Rente mit 67 und weitere Arbeitszeitverkürzung. Besonders starken Beifall erhielt er, als er meinte, man dürfe jetzt nicht abwarten, was komme, sondern müsse bereits jetzt gegen die Gesundheits- und Steuerpolitik der neuen Bundesregierung mobil machen.

Sieghard Bender, Sekretär der Verwaltungsstelle Esslingen der IG Metall, berichtete über die Aktionstage in Stuttgart (siehe auch Arbeit Zukunft 6/09). Stolz meinte er, dass am ersten Tag 1200 Kolleg/innen von Index Traub zum ersten Mal schwarz S-Bahn nach Stuttgart gefahren seien. Dass sei ein konkretes Erlebnis und fast schon eine „Revolution“ in Deutschland. Am 12.11. hätten sie aufgrund dieses Kampfes bei Index Traub einen Vertrag unterschrieben, durch den die von den Banken verlangten 780 Entlassungen vermieden würden. Ein Vertreter des BUND vertrat, dass die Krise neue Räume geschaffen hat. So könne man jetzt wieder offen und klar über den Kapitalismus reden. Er meinte selbst-kritisch, dass die Umweltbewegung da in den vergangenen Jahren viel versäumt bzw. sich angepasst habe. Heftig ging er die beiden Vertreter der Gewerkschaft an, man müsse endlich begreifen, dass die Linie Jobs, Jobs, Jobs gescheitert sei. Die moderne Wirtschaft würde immer produktiver, sodass immer weniger Arbeit nötig sei. Er sprach sich für Arbeitszeitverkürzung und Umverteilung aus.

Leider war die Vorstellung der verschiedenen Initiativen sehr lang. Der Saal konnte nur durch Klatschen seine Meinung zum Ausdruck bringen. Einige gingen auch. Erst spät kam es zu einer Diskussion.

Gekennzeichnet war die Vorstellungsrunde von einer Dominanz des Reformismus. Eine wirklich grundlegende Auseinandersetzung mit der Krise und dem Kapitalismus fehlte. Verwaschene Formulierungen wie nach einer „Transformierung“ der Gesellschaft verhüllten mehr, als sie erklärten und Richtung wiesen. Was und wie transformiert werden soll, blieb im Dunkeln. Positiv war die Breite der Initiativen. Die Vorstellungsrunden zeigte, dass auch in dem „ruhigen“ Deutschland ständig etwas los ist. Der Klassenkampf ist derzeit zwar nicht breit und tief, aber er findet an vielen Stellen statt. Zudem wurde auch deutlich, dass die Krise die Menschen zwingt, sich zu positionieren und zu kämpfen.

Am Samstag wurde es dann konkreter und die Teilnehmer konnten sich mit ihren Ideen und Erfahrungen aus den Kämpfen einbringen. In Arbeitsgruppen wurden die Erfahrungen aus den Orten gesammelt und verschiedene Themen bearbeitet. Sybille Stamm, frühere Landesvorsitzende von verdi Baden-Württemberg zitierte in einem Beitrag einen Beschluss des DGB von 1946, in dem dieser die „Enteignung des Kapitals“ forderte und meinte dieser Beschluss sei wieder aktuell.

Am Sonntag dann wurden verschiedene Aktionen für die kommende Zeit angeregt. So sollen am 20.3.2010 regionale Aktionstage durchgeführt werden. An welchen Orten diese stattfinden, soll noch geklärt werden. Am 12.6.2010 ist in Berlin eine zentrale Demonstration gegen die weitere Zerschlagung des Gesundheitswesens, gegen die Verarmung der Kommunen, für Arbeitszeitverkürzung und gegen Entlassungen sowie für einen Ausbau der Bildung geplant. Des weiteren wurde von Attac angeregt, im April 2010 mit Protestaktionen am Kirchentag in München teilzunehmen. Dazu gab Attac bekannt, dass sie im April 2010 in Berlin ein Bankentribunal durchführen wollen. Ebenfalls im April 2010 soll eine weitere Konferenz des Bündnisses stattfinden.

Es zeigte sich, dass ein großes Interesse an der Weiterführung von Kampfaktionen besteht. Nun gilt es die Kräfte lokal, regional und bundesweit zusammen zu schließen, um diese Aktionen zum Erfolg zu führen und ihnen eine richtige politische Stoßrichtung zu geben.